Nachricht 08.06.2006

Kanadischer Landwirt: „Koexistenz ist nicht möglich”

Der kanadische Gentechnik-Gegner Percy Schmeiser warnt im Interview mit foodwatch vor dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Seine Erfahrungen aus Kanada: Egal wie groß die Entfernung zwischen gentechnisch veränderten und herkömmlichen Pflanzen ist, Verunreinigung lassen nicht ausschließen. Wachsen gentechnisch veränderte Pflanzen einmal auf den Feldern, gibt es aus seiner Sicht kein Zurück.

foodwatch: Seit wann bauen Kanadische Bauern gentechnisch verändertes Saatgut an und wie verbreitet ist diese Methode?

Schmeiser: Die Genehmigung für die Einführung von gentechnisch modifizierten Organismen (GMO) wurde in Kanada 1996 gegeben. Raps und Soja wurden freigegeben, während die USA den Anbau von gentechnisch verändertem Mais und Baumwolle erlaubte. Es ist schwer zu sagen, wie viel Hektar nun wirklich mit genetisch modifizierten Samen bepflanzt werden. Klar ist aber, dass es keine nicht-manipulierten Rapspflanzen oder Sojabohnen mehr gibt.

foodwatch: Welche Vorteile haben Bauern, die genmanipulierte Samen anbauen?

Schmeiser: Keine. Da unser Raps gentechnisch verändert ist, können wir ihn in viele Länder nicht mehr verkaufen. Der Preis für Raps ist um fast 50 Prozent gefallen. Länder wie Australien, die gentechnische Veränderungen nicht zugelassen haben, bekommen nun eine Prämie für ihren Raps. Hinzu kommt, dass Bio-Bauern und konventionelle Bauern in Kanada keine Bio-Sojabohnen und Raps mehr anbauen können. Das schränkt nicht nur die Wahlmöglichkeiten der Bauern ein, sondern auch die Anzahl von Bio-Produkten insgesamt.

foodwatch: Wie werden Konsumenten über GMO-Produkte informiert und sind sie besorgt?

Schmeiser: Wir haben bisher keine Kennzeichnung von Lebensmitteln in Kanada. Doch die Verbraucher fordern dies vehement. Sie wollen wissen, was sie und ihre Kinder essen. Die Menschen sind äußerst besorgt über die Einführung von gentechnisch modifizierten Lebensmitteln und deren Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt. Wegen dieser Ängste wurde in den letzten zehn Jahren kein neues gentechnisch verändertes Saatgut eingeführt.

foodwatch: Die EU fördert das Konzept der Koexistenz von Bauern die gentechnisch verändertes Saatgut benutzen und denen die es nicht tun. Ist dies aus Ihrer Erfahrung realistisch?

Schmeiser: Ich bin überzeugt, dass Koexistenz oder Eindämmung von GMOs nicht möglich ist. Diese veränderten Gene sind dominant und werden andere Saat- und Pflanzenspezies verändern. Man kann den Pollenflug zwischen verschiedenen Feldern nicht verhindern, denn der findet auf verschiedensten Wegen statt: mit dem Wind, durch Vögel, Bienen und andere Tiere oder auch durch den Transport. Egal wie weit genetisch veränderte Pflanzen von anderen Feldern entfernt liegen kann also keine Koexistenz stattfinden. Wenn einmal eingeführt, gibt es nach heutigem Erkenntnisstand kein Zurück.

foodwatch: Was ist die Erfahrung von Kanadischen Bauern mit GMOs und den Firmen die dieses Saatgut anbieten?

Schmeiser: Bauern haben Verträge mit großen Firmen wie Monsanto, die versuchen, Kontrolle auszuüben und Rechte zu beschneiden. Die Firmen beschäftigen Kontrolleure – Gen-Polizei genannt – die Farmen, Felder und Silos ohne Erlaubnis der Eigentümer kontrollieren. Als die Kanadier GMOs eingeführt haben, gab es wenig Informationen zu möglichen Auswirkungen. Firmen, die dieses veränderte Saatgut anbieten, haben höhere Ernten, nährreichere Produkte und weniger Chemikaliennutzung vorhergesagt. Dies hat sich als völlig falsch herausgestellt. In Wirklichkeit ging es um Kontrolle von Saatgut und höheren Verkaufszahlen von Chemikalien. Wegen dieser Erfahrungen setzt sich die Kanadische National Farmers Union mit aller Kraft gegen die Einführung von weiterem gentechnisch verändertem Saatgut ein. Bisher gab es bereits zahlreiche desaströse Auswirkungen auf die Umwelt, wie zum Beispiel der Verlust von reinem und ursprünglichem Saatgut. Auch die Gesundheit von Menschen wird gefährdet. Allergien, geschwächte Immunsysteme und Blut-Krankheiten, die Tumore hervorrufen, sind vor allem für junge Menschen schädlich.

foodwatch: Wie werden sich GMOs in der EU verbreiten?

Schmeiser: Wenn GMOs in Europa zugelassen werden, wird das die gleichen Auswirkungen haben wie in Kanada. Die Rechte von Bauern, ihr eigenes Saatgut zu entwickeln und ihre Meinungsfreiheit werden beschnitten. Das Ergebnis ist eine völlige Kontrolle der Saatgut- und Lebensmittelherstellung durch die Industrie. Chemikalien werden vermehrt genutzt und schädigen damit die Umwelt und die menschliche Gesundheit.