Nachricht 16.05.2017

Freihandelsabkommen: Keine Alleingänge mehr?

Freihandelsabkommen, wie das zwischen der EU und Singapur, entfallen nicht in die alleinige Zuständigkeit der EU. Das entschied der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Damit erhalten die nationalen Parlamente ein Veto-Recht. Eine wichtige Klarstellung und eine Chance für mehr Transparenz bei der Aushandlung künftiger Freihandelsverträge – allerdings kommt das Urteil viel zu spät.

Die Regierungen der Mitgliedstaaten können damit entscheiden, dass Verträge wie der mit Singapur auch ihren Parlamenten zur Zustimmung vorgelegt werden müssen. Als Grund für seine Entscheidung führte der EuGH geplante Regeln zur Streitbeilegung zwischen Staaten und Investoren auf. Bestimmungen, die Streitigkeiten der gerichtlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten entziehen, könnten nicht ohne deren Einverständnis eingeführt werden, urteilte der Gerichtshof. Zudem lägen auch Bestimmungen zu Auslandsinvestitionen nicht in ausschließlicher Zuständigkeit der EU-Institutionen.

Schwerer Rückschlag für die EU-Kommission 

Die Entscheidung des EuGH gilt als schwerer Rückschlag für die EU-Kommission von Jean-Claude Juncker. Die Brüsseler Behörde hatte die Position vertreten, dass nach EU-Recht lediglich eine Mitwirkung des Europaparlaments und der Regierungen der Mitgliedstaaten am Abschluss der Freihandelsabkommen vorgesehen ist. Sie befürchtet, dass die europäische Handelspolitik lahmgelegt werden könnte, wenn nicht nur das Europaparlament sondern auch Parlamente in Mitgliedstaaten zustimmen müssen. Theoretisch würde nämlich bereits das Nein eines nationalen Parlaments genügen, um ein Freihandelsprojekt zu stoppen. 

Regierungen können Parlamente beteiligen

Die Regierungen der Mitgliedstaaten wollen sich aus politischen Gründen die Möglichkeit offen halten, ihre nationalen Parlamente zu beteiligen. Sie verweisen vor allem auf die scharfe Kritik an großen Freihandelsprojekten wie dem europäisch-kanadischem Abkommen Ceta oder den Plänen für das US-europäische Abkommen TTIP. Dieser wollen sie mit einer stärkeren Mitwirkung der Parlamente begegnen. Die Entscheidung der Richter bezieht sich konkret auf ein mit Singapur ausgehandeltes Freihandelsabkommen. Die Einschätzungen des Gerichtshofes gelten aber auch für alle zukünftigen anderen Abkommen. Derzeit gibt es unter anderem Gespräche mit Japan und Mexiko.

„Das EU-Singapur-Abkommen gehört wie TTIP und CETA zu einer neuen Generation von Freihandelsverträgen, mit Regelungen, die unser tägliches Leben betreffen, wie dem Gesundheitsschutz, Lebensmittelstandards oder Arbeitnehmerrechte. Dass die nationalen Parlamente an dem Abschluss dieser Abkommen beteiligt werden müssen, ist unabdingbar. Die wichtige Klarstellung des Europäischen Gerichtshofs kommt allerdings viel zu spät, denn der Vertrag ist längst ausverhandelt: Wäre ein Alleingang der EU von Anfang an ausgeschossen gewesen, hätte es eine viel breitere öffentliche Debatte über das Abkommen gegeben.“
Lena Blanken Volkswirtin bei foodwatch

Text: mit dpa; Bild: EUGH, Quelle: sprklg / CC BY-SA 2.0