Nachricht 31.01.2019

Aus für gezuckerte Schulmilch in Berlin und Brandenburg

Christian Schwier, MP2/fotolia.com [Montage: R. Koletzki für foodwatch]

Künftig soll an Schulen in Brandenburg und Berlin nur noch Milch ohne Zuckerzusatz gefördert und Ernährungsunterricht unabhängig von wirtschaftlichen Interessen organisiert werden. Das hat der Brandenburger Landtag am Dienstagabend beschlossen. Brandenburg organisiert sein Schulmilchprogramm gemeinsam mit Berlin. Nordrhein-Westfalen ist damit das einzige Bundesland, das an der Subventionierung gezuckerter Schulmilch festhält.

Nach der beschlossenen Änderung des Schulmilchprogramms in Berlin und Brandenburg hat foodwatch foodwatch Nordrhein-Westfalen aufgefordert, als nun letztes Bundesland ebenfalls die Förderung gezuckerter Milchprodukte zu stoppen. Bereits fast 30.000 Menschen haben über eine E-Mail-Aktion von foodwatch einen Stopp der Subventionen für gezuckerte Schulmilch gefordert. Hessen hat auf die öffentliche Kritik bereits reagiert und will keine Zuckermilch mehr fördern. Nur Nordrhein-Westfalen hält noch an der fragwürdigen Praxis fest.

Frau Heinen-Esser muss ihr Absatzförderprogramm für die Milchwirtschaft stoppen und stattdessen ein Programm für ein gesundes Ernährungsangebot an den Schulen auflegen.
Martin Rücker Geschäftsführer

Die offiziellen Förderrichtlinien der Europäischen Union sehen eine Förderung gezuckerter Produkte nicht vor. Experten raten explizit von Kakao, Vanillemilch & Co. an Schulen ab. Gezuckerte Milch als Pausensnack widerspricht selbst den offiziellen, von der Bundesregierung initiierten Qualitätsstandards für Schulverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

In einem öffentlichen Aufruf appellierten zuletzt renommierte Expertinnen und Experten aus den Bereichen Ernährungswissenschaften, Kinder- und Zahnmedizin sowie Vertreterinnen und Vertreter von Lehrern, Eltern und der Bildungsgewerkschaft GEW an die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, die steuerfinanzierte Förderung von gezuckertem Kakao im Schulmilchprogramm zu beenden. „Die Verteilung gezuckerter Schulmilchen ist antiquiert und schädlich für die Gesundheit der Kinder – sie sollte nicht mehr gefördert werden“, erklärte zum Beispiel Prof. Dr. Matthias Blüher, Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft. Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sowie die Bundeszahnärztekammer unterstützten den von foodwatch initiierten Aufruf.

Eigens Ausnahmeregelungen geschaffen

Zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 hat die Europäische Union ihr Förderprogramm für das Schul- und Kitaessen überarbeitet. Seit der Reform sollen nur noch Lebensmittel ohne zugesetzten Zucker subventioniert werden. In der Begründung für diese Änderung verweist die EU ausdrücklich auf die Zunahme der Zahl fettleibiger Kinder. Allerdings lässt die EU-Verordnung es zu, dass Mitgliedstaaten Ausnahmen von dieser Regelung schaffen. Die Bundesländer Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hessen hatten eigens Ausnahmeregelungen geschaffen, um weiter Kakao & Co. zu fördern. Nach Kritik von foodwatch hatte Hessen im August vergangenen Jahres als erstes Bundesland reagiert und einen Stopp der Subvention gezuckerter Schulmilch angekündigt. 

foodwatch-Report „Im Kakaosumpf“ 

Im Oktober 2018 hatte foodwatch den umfassenden Report „Im Kakaosumpf“ veröffentlicht. Darin entlarvt die Verbraucherorganisation die engen Verflechtungen zwischen Milchwirtschaft, umstrittenen Wissenschaftlern und Politik am Beispiel Nordrhein-Westfalens. Der Report beleuchtet Studien, die den gezuckerten Kakao als intelligenzsteigernd und gesundheitsfördernd darstellen sowie die Rolle der Landesvereinigung der Milchwirtschaft in NRW. Diese hat per Ministererlass den offiziellen Auftrag der Landesregierung, „Werbung zur Erhöhung des Verbrauchs von Milch“ zu machen – „insbesondere“ auch durch „Förderung des Schulmilchabsatzes“. Grundlage dafür ist ein Bundesgesetz aus der Nachkriegszeit, als die Milchwirtschaft gefördert und Kinder gepäppelt werden sollten.