Nachricht 14.07.2021

EU-Kommission ignoriert Demokratiedefizit von CETA

Im Februar 2021 hat foodwatch in einem Brief an die EU-Kommission Kritik am Mangel an Transparenz und demokratischer Legitimation der CETA-Ausschüsse geübt. Diese geht in ihrer Antwort auf die Argumente nicht ein und negiert die demokratischen Defizite von CETA.

Seit Beginn der foodwatch Kampagne gegen CETA hat foodwatch die demokratischen Defizite des Abkommens kritisiert. Im Zentrum der Kritik stehen die umfassenden Kompetenzen der sogenannten „Vertragskomitees“. In einem Briefwechsel mit der EU Kommission hat sich foodwatch mit seiner Kritik in den letzten Monaten direkt an die Kommission gewandt. Die Briefe basieren auf einem Rechtsgutachten von Prof. Dr. Wolfgang Weiß, der foodwatch auch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vertritt. foodwatch hatte 2016 Verfassungsbeschwerde gegen das Abkommen eingereicht. Ein Termin für die Anhörung wird noch für 2021 erwartet. Der Briefwechsel  mit der Kommission beweist, dass die EU der  Kritik nichts entgegenzusetzen hat.

CETA kann Verbraucherschutzstandards einfrieren

CETA stellt eine Gefahr für die Lebensmittelsicherheit und den Verbraucherschutz dar. Denn gesundheitliche Kontrollstandards, wie die Häufigkeit von Importkontrollen, könnten „zukünftig jederzeit durch Beschlüsse der Ausschüsse gesenkt werden.“ Solche Entscheidungen könnten Gesundheits- und Pflanzenschutzstandards untergraben und zu einem unzureichenden Verbraucherschutz in der EU führen. Das Rechtsgutachten von Professor Weiß bestätigt das. 

CETA, als sogenanntes modernes Handelsabkommen, sieht nicht nur Zollsenkungen vor, sondern will auch "nicht-tarifäre Handelshemmnisse" abbauen. Dazu gehören Standards des Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutzes. Diese können unter dem Abkommen als "gleichwertig" anerkannt werden. Diese Entscheidungen werden jedoch nicht von gewählten Vertreter*innen getroffen, sondern von Regierungsvertreter*innen in den CETA-Ausschüssen. Außerdem können sie nicht einseitig von der EU zurückgenommen werden, ohne ein Konsultationsverfahren mit Kanada durchzuführen. Diese Tatsache wurde von Prof. Weiß als besonders bedenklich hervorgehoben. Selbst wenn sich die EU-Staaten beispielsweise auf eine Verschärfung der bereits als gegenseitig anerkannten Sicherheitsstandards für Pestizide einigen würden, würde dieser Beschluss ohne Konsultation mit der kanadischen Seite nicht für kanadische Produkte gelten. Denn jede Regelung, die den CETA-Verpflichtungen widerspricht, stellt "automatisch ein Verstoß gegen das Völkerrecht" dar. So würden "Schutzstandards faktisch eingefroren". 
 

CETA muss gestoppt und durch ein Handelsabkommen ersetzt werden, welches auf transparenten Verhandlungen basiert und dem Wohlstand aller europäischen Bürgerinnen und Bürger dient und nicht dem von Großkonzernen.
Dr. Thilo Bode Gründer von foodwatch

EU-Kommission muss sich CETA-Kritik stellen

Im Februar 2021 wandte foodwatch sich mit einem ersten Schreiben an die Europäische Kommission, Generaldirektion Handel, und wies auf die mangelnde Transparenz und demokratische Legitimation der CETA-Ausschüsse hin. Die Antwort der Kommission, unterzeichnet von Matthias Jorgensen, Referatsleiter für USA und Kanada in der Generaldirektion Handel, ging jedoch nicht auf die von foodwatch vorgebrachten Argumente ein und konnte somit die Bedenken nicht schmälern - insbesondere nicht hinsichtlich der Tatsache, dass der gemischte CETA-Ausschuss das Abkommen ändern und die Lebensmittel- und Gesundheitsstandards in der EU senken kann. 
 

Es ist schockierend, dass die Kommission wissenschaftlich fundierte Kritik an den Defiziten von CETA – zum Beispiel an den unzureichend demokratisch kontrollierten Entscheidungen der Ausschüsse oder der Gefahr des Absenkens/Einfrierens von Gesundheitsstandards - abstreitet. Damit schafft sie Misstrauen der EU Bürger gegenüber der Handelspolitik der Kommission und füttert die allgemeine Skepsis gegenüber Europa.
Dr. Thilo Bode Gründer von foodwatch

Die Behauptung der Kommission, "die EU und nur die EU" bestimme beim Gesundheitsschutz die Standards von Produkten, ist schlichtweg falsch. Darüber hinaus verkennt die Kommission, dass die CETA-Ausschüsse nur dann als transparent gelten können, wenn detaillierte Protokolle ihrer Sitzungen veröffentlicht werden. Diese Transparenz ist vor allem deshalb wichtig, weil die Ausschüsse, obwohl ihnen demokratische Legitimation fehlt und sie nicht aus gewählten Vertreter*innenn bestehen, weitreichende Entscheidungen treffen können. foodwatch hat deshalb einen weiteren Brief an die Generaldirektion Handel verfasst und diesen auch dem Handelskommissar der EU, Valdis Dombrovskis, zur Kenntnis zukommen lassen. 

Die Tatsache, dass die Kommission die Kritik von foodwatch nicht entkräften konnte, ist besorgniserregend. Entweder gibt es auf europäischer Ebene kein Bewusstsein für die Defizite von CETA oder - was das weitaus wahrscheinlichere Szenario ist - es besteht einfach kein Interesse daran, sich mit den Argumenten gegen CETA und den mit diesem Abkommen verbundenen Gefahren auseinanderzusetzen.