Nachricht 14.04.2022

Haltungskennzeichnung: Keine Lösung gegen Tierleid

iStock / kadmy

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir will eine Kennzeichnung der Haltungsbedingungen auf tierischen Lebensmittel einführen. Doch die massiven Tierschutzprobleme in den Ställen lassen sich damit nicht beheben, kritisieren foodwatch und zahlreiche Tierschutzverbände. 

Das Leben vieler Nutztiere in Deutschland ist alles andere als idyllisch. Die Tiere haben meist wenig Platz, viele leiden an Krankheiten . Das Landwirtschaftsministerium plant nun eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung, die Auskunft darüber geben soll, „unter welchen Bedingungen Tiere tatsächlich gelebt haben“. Vorbild soll die Kennzeichnung auf Eiern sein. Hier signalisieren die Ziffern 0 bis 3, wie das Huhn lebt. Dabei steht 0 für Bio und 3 für Kleingruppenhaltung.

foodwatch, Peta, Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft und 18 weitere Organisationen haben diese Pläne in einem offenen Brief nun kritisiert. Das Problem: Massive Tierschutzprobleme sind in allen Haltungsformen die Regel. Die Haltungsform allein sagt also wenig darüber aus, wie gut oder schlecht es den Tieren tatsächlich geht. Denn die meisten Nutztiere leiden unter vermeidbaren Krankheiten und Schmerzen, und zwar sowohl in konventionellen als auch in Biobetrieben, in kleinen Höfen ebenso wie in Tierfabriken. Ein Label, das alleine die unterschiedlichen Haltungsformen kennzeichnet, ist deshalb nicht die Lösung. Vielmehr braucht es gesetzliche Vorgaben, damit alle Tiere überprüfbar gesund gehalten werden.

Das Tierhaltungslabel ist ein Täuschungslabel, wenn den Verbraucher:innen vorgegaukelt wird, sie würden beim Einkauf über das Wohl der Tiere entscheiden. Ein tiergerechtes Leben hängt nicht nur von Platz, Einstreu und Auslauf ab.
Matthias Wolfschmidt Tierarzt und internationaler Strategiedirektor foodwatch

Die Verbraucher- und Tierschutzorganisationen stellten Özdemir im offenen Brief außerdem die Frage, warum es von der Kaufentscheidung der Verbraucher:innen abhängen soll, unter welchen Bedingungen Nutztiere leben. Das Staatsziel Tierschutz ist im Grundgesetz verankert. Sollten nicht alle Tiere vor Leiden, Schmerzen und Schäden geschützt werden?

Hochleistungszucht macht krank

Das Beispiel Eierkennzeichnung zeigt, dass die Haltungsform allein kein Indikator für ein tiergerechtes Leben ist. Bei Legehennen sind Knochenbrüche an der Tagesordnung. Bei den auf extrem hohe Legeleistung gezüchteten Tieren landet das Kalzium vorrangig in den Eierschalen. Diese Hochleistungshühner, die sich buchstäblich krank legen, werden auch in der Biobranche eingesetzt. In einer aktuellen Studie der Uni Bern litten 97 Prozent der untersuchten Hennen unter einem gebrochenen Brustbein, auch Biohühner waren betroffen. Statt einer Haltungskennzeichnung braucht es deshalb verbindliche Vorgaben für die Gesundheit aller Nutztiere.

Eine Haltungskennzeichnung, auch als staatliches Tierwohllabel bezeichnet, wurde bereits von mehreren Bundeslandwirtschaftsminister:innen angekündigt, bisher jedoch nie umgesetzt. Im Gegensatz zu früheren Plänen einer freiwilligen Kennzeichnung will Minister Özdemir diese verbindlich vorschreiben. Große Lebensmittelhändler hatten 2019 ein vierstufiges System der Haltungskennzeichnung eingeführt. Für Hühnereier gelten in der Europäischen Union seit 2004 Kennzeichnungsregeln.