CETA-Verfassungsbeschwerde: Vollmachten in Karlsruhe übergeben
Die Vollmachten der mehr als 125.000 Menschen, die sich der Verfassungsbeschwerde von foodwatch, Campact und Mehr Demokratie angeschlossen haben, sind heute in Karlsruhe eingetroffen. Etwa 200 Unterstützerinnen und Unterstützer reichten die gut 70 Kartons mit einer Menschenkette vom Lastwagen bis vor das Gerichtsgebäude weiter, dann wurden sie dem Bundesverfassungsgericht übergeben.
Rund 200 Unterstützerinnen und Unterstützer der drei beteiligten Organisationen waren vor dem Gebäude des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe erschienen, um persönlich dabei zu sein, wenn die Vollmachten für die Verfassungsbeschwerde gegen das Freihandelsabkommen CETA dem Gericht übergeben werden. Die Ordner mit den ausgedruckten und unterschriebenen Vollmachten füllten mehr als 70 Kartons. Unter Applaus und Jubel reichten die Menschen die Kartons in einer Kette bis zum Gerichtsgebäude und stapelten sie dort auf, sodass sie den Schriftzug: „125.000 gegen CETA“ bildeten. Die Klageschrift hatten die Organisationen bereits gestern Morgen elektronisch bei Gericht eingereicht.
Organisationen wollen „vorläufige“ Anwendung verhindern
Nach Einschätzung von foodwatch, Campact und Mehr Demokratie verstößt das geplante Abkommen zwischen der EU und Kanada gleich in vier Punkten gegen das Grundgesetz. Das Bündnis hat beim Bundesverfassungsgericht zudem eine einstweilige Anordnung beantragt: Damit würde das Gericht den deutschen Vertreter im Handelsministerrat – nach dem Stand der Dinge Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel – auffordern, gegen die geplante „vorläufige Anwendung“ von CETA zu stimmen, mit der das Abkommen bereits vor einer Abstimmung im Bundestag in Kraft gesetzt werden soll. Eine solche „vorläufige Anwendung“ soll in diesem Herbst vom Ministerrat beschlossen werden.
Dass CETA schädlich für die Demokratie ist und daher abgelehnt werden muss, ist aus Sicht der Organisationen klar. Nun soll das Bundesverfassungsgericht klären, ob CETA zudem noch gegen die Verfassung verstößt. Gerade die „vorläufige“ Anwendung sehen die Organisationen kritisch, denn damit werden Fakten geschaffen – ohne die Abstimmungen in den Parlamenten der Länder abzuwarten. Demokratisch nicht legitimierte Gremien und investorenfreundliche Schiedsgerichte würden bereits anfangen zu arbeiten, das Vorsorgeprinzip könnte ausgehebelt werden.
CETA würde Einfluss der Parlamente schwächen
Ansatzpunkt für die Verfassungsbeschwerde ist, dass CETA den Einfluss von Parlamenten schwächen würde, wodurch auch die Stimmen von Wählerinnern und Wählern weniger wert wären. Prof. Dr. jur. Bernhard Kempen, Direktor des Instituts für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht an der Universität Köln, hat als Prozessvertreter des Bündnisses in seinem Schriftsatz an das Verfassungsgericht vier Punkte aufgeführt, die nach Auffassung der Beschwerdeführer nicht vereinbar mit dem Grundgesetz sind:
- Durch CETA sollen europäisch-kanadische Ausschüsse weitreichende Befugnisse erhalten. Sie können den Vertrag unter Umgehung der Parlamente auslegen und sogar verändern. Das oberste CETA-Gremium, der „gemischten Ausschuss“, soll allein mit Vertretern der Exekutive besetzt werden, Parlamentarier und deutsche Vertreter sind nicht vorgesehen.
- Die geplanten Investitionsgerichte würden eine unzulässige Paralleljustiz mit Sonderrechten für kanadische Investoren einrichten. Dies wäre eine Diskriminierung europäischer Investoren, denen dieser Weg verschlossen bliebe. Allein die Möglichkeit, dass ein Schiedsgericht den deutschen Staat zu hohen Schadenersatzzahlungen verpflichten könnte, hätte erheblichen Einfluss auf Regulierung und Gesetzgebung.
- Das Vorsorgeprinzip – ein Kernelement der europäischen Regulierungspolitik – ist im CETA-Vertrag nicht hinreichend abgesichert. Damit wären viele Verbesserungen beim Umwelt- oder Gesundheitsschutz praktisch ausgeschlossen.
- Vorläufige Anwendung: Noch bevor die nationalen Parlamente in den EU-Staaten über CETA abgestimmt haben, soll der Vertrag „vorläufig“ angewandt werden – womöglich über Jahre hinweg. Damit würde die „vorläufige“ Anwendung endgültige Fakten schaffen: Denn den negativen Folgen des Abkommens wären die Bürgerinnen und Bürger voll und ganz ausgesetzt, lange vor einem Votum des Bundestages.
foodwatch geht einerseits rechtlich gegen CETA vor, versucht andererseits aber auch weiterhin, CETA politisch zu verhindern. Unterstützen Sie uns dabei und unterzeichnen Sie jetzt unsere E-Mail-Aktion an Sigmar Gabriel! Er hat versprochen: „ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesrat kann es kein Ja aus Deutschland geben". Fordern Sie ihn jetzt auf, Wort zu halten und Nein zu sagen zur vorläufigen Anwendung von CETA!
(Bilder aus Karlsruhe: Ferdinando Iannone / Campact)