foodwatch und FragdenStaat kritisieren geplante Abschaffung des Berliner Saubere-Küchen-Gesetzes
„Das nächste Geschenk an die Gastro-Lobby“
Die Verbraucherorganisation foodwatch und die Transparenz- und Rechercheplattform FragDenStaat haben den aktuellen Gesetzentwurf des Berliner Senats zur Abschaffung des sogenannten Lebensmittelüberwachungs-Transparenzgesetzes („Saubere-Küchen-Gesetz”) kritisiert. Die Union bediene nach der Abschaffung der Mehrwertsteuer im Bund einmal mehr die Interessen der Gastro-Lobby – und stellten die Rechte der Verbraucher:innen auf Information und Gesundheitsschutz hinten an. In dem Gesetzentwurf bezeichnet der CDU-geführte Senat den Mehraufwand für die Behörden zwar als „verhältnismäßig gering“, aber dennoch so groß, dass eine Abschaffung des Gesetzes gerechtfertigt sei. foodwatch und FragDenStaat kritisierten die Begründung des Senats als fadenscheinig und vorgeschoben.
„Nach der Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie im Bund jetzt auch noch das: Die Union macht der Gastro-Lobby das nächste Geschenk – diesmal auf Kosten der Transparenz. Die Abschaffung des Hygiene-Barometers ist ein Segen für Schmuddelbetriebe und ein massiver Rückschritt für die Bürgerrechte in Berlin“, sagte Rauna Bindewald von foodwatch.
Bereits auf Bundesebene hatte die Union gemeinsam mit der SPD beschlossen, die Umsatzsteuer für Gastronomie-Betriebe dauerhaft zu senken. Allein McDonald’s spart dadurch rund 140 Millionen Euro pro Jahr – laut foodwatch ein milliardenschweres Steuerprivileg vor allem für Fast-Food-Konzerne. Vor der Wahl habe es von der Gastro-Lobby Parteispenden und Wahlkampf-Unterstützung für die Union gegeben.
Und jetzt Berlin: Das 2021 vom Rot-Grünen Senat initiierte Hygiene-Transparenzsystem verpflichtet gastronomische Betriebe, die Ergebnisse amtlicher Hygienekontrollen öffentlich auszuhängen. Verbraucher:innen sollten erkennen können, wie sauber es in Restaurants, Imbissen und Bäckereien zugeht – ein wichtiger Baustein für informierte Entscheidungen und gesundheitlichen Verbraucherschutz. Denn in der Regel bleiben die Ergebnisse von Hygiene-Kontrollen in Restaurants, Bäckereien und anderen Lebensmittelbetrieben geheim. foodwatch und FragDenStaat bemängelten jedoch die Umsetzung des Gesetzes: Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes 2023 hatten die Bezirke den Unternehmen insgesamt gerade einmal drei Kontrollergebnisse zur Veröffentlichung ausgestellt, wie eine Umfrage von foodwatch unter den Bezirken ergeben hatte.
Statt das Gesetz zu verbessern, will es der Berliner Senat nun ersatzlos streichen. Grund sei der Mehraufwand für die Behörden. Eine Überarbeitung des Gesetzes „dahingehend, dass weniger personelle Ressourcen beansprucht werden“ sei nicht möglich, ohne die unternehmerische Freiheit der Gastronomie-Betriebe unverhältnismäßig zu beschneiden. foodwatch und FragDenStaat kritisierten, dass es sehr wohl eine Alternative gegeben habe: Die Berliner Bezirke hatten bereits 2021 „aus Gründen der praktischen Umsetzbarkeit“ ein eigenes Gesetz eingebracht. Diese Alternative hätte der Senat berücksichtigen können, um tatsächlich mehr Transparenz bei Lebensmittelkontrollen herzustellen.
foodwatch und FragDenStaat forderten für Berlin das in Dänemark etablierte „Smiley-System“. Dort erfahren Verbraucher:innen direkt an der Ladentür und im Internet anhand von Smiley-Symbolen, wie es um die Sauberkeit in Lebensmittelbetrieben bestellt ist. Das System stellt keinen nennenswerten Mehraufwand für die Behörden dar, sobald einmal die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Zudem gibt es weniger Nachkontrollen wegen Verstößen: Wenige Jahre nach Einführung des Smiley-Systems im Jahr 2002 hat sich die Quote der beanstandeten Betriebe halbiert.
Aus Sicht von foodwatch und FragDenStaat ist die Aufhebung des Gesetzes ein fatales Signal: Statt für bessere Hygiene und transparente Kontrollen zu sorgen, werde ausgerechnet das Instrument gestrichen, das Betriebe zur Sauberkeit anhalten sollte. „Unsere gemeinsame Aktion ‚Topf Secret‘ hat das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gezeigt und zur Einführung des Gesetzes geführt. Nun sollen die Rechte von Verbraucher:innen und Transparenz, die sich Bürger:innen selbst erkämpft haben, wieder einmal unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus für Wirtschaftsinteressen geopfert werden”, kritisierte Arne Semsrott von FragDenStaat.
Auf „Topf Secret“ ist es für Bürgerinnen und Bürger möglich, auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) amtliche Kontrollergebnisse abzufragen und für die breite Öffentlichkeit hochzuladen - auch solche, die die Behörden bislang geheim halten. Alleine innerhalb zwei Jahre nach Start der Plattform 2019 wurden über „Topf Secret“ mehr als 50.000 Anträge gestellt.
Der Gesetzentwurf zur Abschaffung des “Saubere-Küchen-Gesetzes” liegt derzeit im Beteiligungsverfahren: Verbände, Unternehmen und weitere Akteure können noch bis zum 16. Juni 2025 Stellung zu den Plänen nehmen.
Quellen und weiterführende Informationen
- Gesetzentwurf zur Streichung des Transparenz-Gesetzes
- foodwatch-Pressemitteilung: CDU-Mehrwertsteuer-Reform: 140 Millionen Euro allein für McDonald’s
- Vor Anhörung im Abgeordnetenhaus: foodwatch kritisiert „Saubere-Küchen-Gesetz“ als gescheitert
- Smiley-System in Pankow (nur online)
- Anfrage-Tool „Topf Secret”