Private Schiedsgerichte

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Im Rahmen von TTIP verhandeln die Vertragspartner EU und USA auch über den Einsatz privater Schiedsgerichte. Sie sollen Prozesse beschleunigen, können vor allem aber für Probleme sorgen – wie etwa die Klage Vatenfalls gegen den Atomausstieg Deutschlands zeigt.

Ziel privater Schiedsgerichte ist der Schutz ausländischer Investoren vor staatlichen Interventionen des Gastlandes – vor allem in Ländern mit weniger stark ausgeprägter Rechtsstaatlichkeit. Die Idee, vereinfacht ausgedrückt: Investitionen sollen nicht durch gesetzgeberische Willkür gefährdet werden. Wozu aber in ausgeprägten Rechtsstaaten private Schiedsgerichte als zusätzliche Instanz neben den staatlichen Gerichten installieren?

Freihandelsabkommen legitimieren private Schiedsgerichte

Legitimiert werden können solche Privatgerichte durch Freihandelsabkommen. Dabei handelt es sich um völkerrechtliche Verträge, die über den nationalen (bzw. EU-)Gesetzen stehen. Mit einem Abkommen erkennen die Staaten gegenseitig eine private Schiedsgerichtbarkeit an, die dann von Unternehmen genutzt werden kann, wenn sie im jeweils anderen Land investieren. Auch für das geplante TTIP-Abkommen zwischen EU und USA sind entsprechende Investorenschutzklauseln im Gespräch.

Geheime Verhandlungen, keine Berufung

Die Schiedsgerichte sind keine dauerhaften Einrichtungen. Sie werden von Fall zu Fall einberufen, in der Regel mit Wirtschaftsjuristen als Richter. Ein Unternehmen kann zum Beispiel wegen eines Gesetzes Klage gegen einen Staat einreichen – dann würden die Richter für diesen Einzelfall von beiden Seiten einberufen. Meist sind es drei Richter, ein vom Unternehmen einbestellter, ein vom Staat einbestellter und ein Dritter, auf den sich beide verständigen können. Öffentliche Verhandlungen gibt es nicht. In den Medien ist die Rede von „Schattenjustiz“ – „Justizia verzieht sich ins Hinterzimmer“, so heißt es. Heribert Prantl kommentierte im April 2014 in der Süddeutschen Zeitung:

„Die Verhandlungen dieser Schiedsgerichte sollen geheim sein, ihre Urteile nicht anfechtbar. So ist es geplant. Diese privaten Schiedsgerichte würden damit so mächtig wie das Bundesverfassungsgericht, ja noch mächtiger: Sie sollen nämlich die Macht haben, Gesetze, die vom Parlament beschlossen sind, zu einem Investitionshindernis zu erklären - und den Konzernen für die Beeinträchtigung ihrer Investition Schadenersatz zuzusprechen, auch in Milliardenhöhe.“

Geheime Verhandlungen, keine Berufungsmöglichkeiten – und das trotz einer funktionierenden, staatlichen Gerichtsbarkeit. Warum ein solches System dennoch bei einem Abkommen zwischen zwei rechtsstaatlichen Demokratien im Gespräch ist, erklärt Klaus Sachs, Anwalt und Weltbank-Schiedsrichter, in einem Interview mit Spiegel Online:

„Nicht jeder US-Investor findet es attraktiv, vor einem Gericht in Palermo oder Bukarest klagen zu müssen. Umgekehrt ist es für europäische Unternehmen oft sehr teuer und langwierig, in den USA zu prozessieren. Bei Schiedsgerichten geht es deutlich schneller.“

Doch die Existenz solcher Gerichte stößt auch bei den Beteiligten durchaus auf Verwunderung. So zitiert ein Report der europäischen Lobbykontroll-Organisation CEO den spanischen Schiedsrichter Juan Fernández-Armesto:

Wenn ich nachts aufwache und über Schiedsverfahren nachdenke, bin ich immer wieder überrascht, dass souveräne Staaten sich auf die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit eingelassen haben. Drei Privatpersonen haben die Befugnis, und zwar ohne jegliche Einschränkung und Revisionsverfahren, alle Aktionen einer Regierung, alle Entscheidungen der Gerichte, alle Gesetze und Verordnungen des Parlaments zu überprüfen.

Vattenfall klagt gegen den Atomausstieg Deutschlands

Welche Probleme aus dem System privater Schiedsgerichte entwachsen können, zeigt ein konkreter Fall. Im Energie-Sektor besteht auf Basis des multilateralen Abkommens Energy Charter Treaty (ECT bzw. Vertrag über die Energiecharta) bereits heute die Möglichkeit, private Schiedsgerichte anzurufen. Derzeit geht der schwedische Energiekonzern Vattenfall gegen die deutschen Gesetze zum Atomausstieg vor, die ihn zur Stilllegung lukrativer Kernkraftwerke zwang – und zwar sowohl vor einem staatlichen, als auch vor einem privaten Gericht. Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht hat das Ziel, die Gesetze für verfassungswidrig erklären zu lassen. Ein privates Schiedsgericht dagegen soll dem Unternehmen Schadenersatz in Höhe von 4,7 Milliarden Euro zusprechen, aufzubringen vom deutschen Steuerzahler.

Durchaus denkbar ist der folgende Fall: Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Atomausstieg-Gesetzgebung für rechtmäßig – das private Schiedsgericht verurteilt die Bundesrepublik Deutschland dennoch zur Schadenersatzzahlung. Das zeigt die ganze gefährliche Absurdität der privaten Schiedsgerichte. Künftig könnte bereits die Sorge vor Schadenersatzzahlungen Gesetze verhindern, die aus Sicht von Unternehmen ein Investitionshemmnis darstellen.

Eine Gefahr, die auch von der Bundesregierung gesehen wird. So betonte Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel im Mai 2014 in einer Rede, dass Investitionsschutzabkommen …

„… immer in Gefahr sind, die verfassungsrechtliche Grundordnung und auch die Freiheit des Gesetzgebers auf beiden Seiten der Verhandlungspartner zu beeinträchtigen.“