Fragen & Antworten zu Acrylamid

Acrylamid ist in zahlreichen Produkten enthalten und kann auch am eigenen Herd oder im Backofen entstehen. Wer einige Dinge beachtet, kann die Bildung der krebsverdächtigen Substanz zumindest verringern.

Acrylamid ist eine farblose, leicht flüchtige, gut in Wasser und Alkohol lösliche Substanz, die seit circa 50 Jahren bekannt ist und industriell genutzt wird, zum Beispiel:

  • als Rohstoff für Kunststoffe (Polyacrylamid),
  • zur Aufbereitung von Trinkwasser (so genanntes Flockungsmittel),
  • bei der Erzgewinnung.

Im April 2002 wurde Acrylamid von schwedischen Wissenschaftlern in Lebensmitteln gefunden – und keiner wusste, wie es dort hineinkommt. Allerdings hatten die gleichen Wissenschaftler bereits zwei Jahre zuvor in einem Artikel die Frage aufgeworfen, ob Acrylamid beim Kochen entstehen könnte.

(zuletzt geändert am: 27.11.2009)

Acrylamid entsteht in Lebensmitteln, die:

  • reichlich Kohlenhydrate (Stärke, Zucker) und
  • einen bestimmten Eiweißbaustein enthalten (die Aminosäure Asparagin),
  • bei der Zubereitung über 120°C erhitzt werden,
  • wenig Wasser enthalten (zum Beispiel in der Kruste).

Diese Bedingungen werden beim Frittieren, Backen und Braten von Kartoffel- und Getreideprodukten, die von Natur aus viel Stärke und Asparagin enthalten, erreicht. Besonders betroffen sind Pommes frites, Rösti, Bratkartoffeln und Kartoffelchips. Je stärker gebräunt die Erzeugnisse sind (dunkle Farbe, krosse Kruste), desto mehr Acrylamid können sie enthalten.

Acrylamid wurde zudem in Mais-Chips, Cornflakes, Popcorn, Brot, Knäckebrot, Toastbrot, Zwieback, Keksen, Knabbergebäck, Kaffee- und Kakaopulver sowie in der Panade von Fischstäbchen und in Kuchen gefunden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Lebensmittel industriell, im Handwerksbetrieb, in der Gastronomie oder im Haushalt zubereitet werden

(zuletzt geändert am: 27.11.2009)

Acrylamid reizt Haut und Augen und ist in hoher Dosis nervenschädigend (neurotoxisch). Im menschlichen Körper wird Acrylamid umgewandelt in Glycidamid. Dieses hat sich in Tierversuchen als erbgutschädigend (genotoxisch) und krebserregend erwiesen. Wie groß die von Acrylamid ausgehende Gefahr für den Menschen tatsächlich ist, ist wissenschaftlich noch nicht endgültig erforscht. Viele Detailfragen zur Entstehung von Acrylamid in Lebensmitteln und zu seiner Wirkung im Körper sind noch offen.

Gefahr der Nervenschädigung durch Acrylamid

In Bezug auf die Gefahr der Nervenschädigung durch Acrylamid kam der Expertenrat der Weltlandwirtschafts- (FAO) und Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Lebensmittelzusätze (JEFCFA) im Jahr 2005 zu einer Neubewertung. Nach einer Auswertung von Daten aus 17 Ländern nimmt der Durchschnittsverbraucher am Tag ein Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm Körpergewicht auf. Bei Vielverzehrern, also Menschen, die große Mengen Kartoffelchips, Pommes frites, Kaffee, Bratkartoffeln oder Knäckebrot zu sich nehmen, liegt der Wert bei vier Mikrogramm. Der Expertenrat kam zu dem Schluss, es sei nicht auszuschließen, dass diese Menschen Veränderungen an den Nervenzellen erleiden können.

Krebsgefahr durch Acrylamid

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin ging in seiner Risikobewertung vom 28. November 2002 davon aus, dass über Lebensmittel aufgenommenes Acrylamid auch beim Menschen krebsauslösend wirken kann. In seinem Jahresbericht 2004 mahnte das BfR eine "rasche Lösung" an. Es verlangte die Absenkung des Acrylamid-Gehalts in Lebensmitteln "so weit und so schnell wie möglich" – eine bis heute unerfüllte Forderung.

Besonders Kinder gefährdet

Das Wissenschaftliche Komitee für Lebensmittel der Europäischen Union hat am 3. Juli 2002 bezüglich der Gefährlichkeit von Acrylamid auf verschiedene Tierversuche sowie Erfahrungen aus der Arbeitsmedizin verwiesen. Bezüglich der durchschnittlichen täglichen Aufnahme von Acrylamid betonen die Wissenschaftler, es sei davon auszugehen, dass Kinder im Allgemeinen eine zwei bis dreimal höhere Dosis je Kilogramm Körpergewicht aufnähmen als Erwachsene.

Abschließende Bewertung nicht möglich

Forscher sind sich jedoch einig, dass eine abschließende Bewertung der von Acrylamid ausgehenden Krebsgefahr bisher nicht möglich ist. Das genaue Krebsrisiko für die Gesellschaft oder gar für ein Individuum lässt sich nicht beziffern. Wäre es gravierend erhöht, hätten Pommes frites- und Kartoffelchips-Fans bereits durch erhöhte Krebsraten auffallen müssen. Dies ist bisher nicht beschrieben worden. Allerdings gibt es für Risikogruppen mit einem besonders hohen Verzehr acrylamidhaltiger Lebensmittel, zum Beispiel Jugendliche und Kinder, gar keine entsprechenden Untersuchungen.

Neue Daten weisen zudem darauf hin, dass der Unterschied zwischen der Acrylamid-Menge, die im Tierversuch Brusttumore auslöste (0,3 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht bei Ratten) und der von Hochverzehrern aufgenommenen Menge (vier Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag) Besorgnis erregend gering ist. Ein Expertengremium der Weltgesundheits- und Welternährungsorganisation (WHO und FAO) fordert daher weitere Maßnahmen, um den Gehalt von Acrylamid in Lebensmitteln zu senken.

Neue Studienergebnisse belegen jedoch auch, dass das bei Tierversuchen ermittelte Krebsrisiko nicht direkt auf den Menschen übertragen werden kann. Es hat sich gezeigt, dass der menschliche Körper besser mit Acrylamid umgehen kann als die für Tierversuche genutzten Nagetiere. Menschen nutzen schon seit vielen tausend Jahren das Feuer und leben deshalb schon lange mit Acrlymid. Der Mensch kann Acrylamid beziehungsweise die daraus entstehenden Stoffe deutlich besser entgiften als Nagetiere. Dies bedeutet jedoch keine Entwarnung, da andererseits der Verzehr von gebackenen, gebratenen, frittierten und generell stärker erhitzten und fertigen Lebensmitteln zugenommen hat.

Vorsorgender Gesundheitsschutz: Acrylamidgehalt senken

Angesichts aller offenen Fragen spricht vieles dafür, die Belastung mit Acrylamid vorsorglich so gering wie möglich zu halten. Bei Stoffen, die wie Acrylamid erbgutschädigend wirken können, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass das Krankheitsrisiko parallel zur Dosis ansteigt. Es gibt also keinen unteren Schwellenwert, unterhalb dessen die Substanz ungefährlich und nicht krebserregend wäre. Üblicherweise gilt bei solchen Stoffen das "ALARA"-Prinzip (As-Low-As-Reasonably-Achievable). Das heißt, dass die Belastung so niedrig wie mit vernünftigen Mitteln erreichbar gehalten werden sollte. Das "Minimierungskonzept" von Bundesregierung und EU verfolgt dieses Ziel allerdings vor allen Dingen aus Sicht der Produzenten: Die Belastungen der Industrie werden damit nämlich denkbar gering gehalten. Verbrauchersicherheit wird dadurch kaum erreicht.

Da Acrylamid auch in Kosmetika enthalten sein kann und leicht über die Haut in den Körper aufgenommen wird, darf die Risikoforschung nicht auf Lebensmittel begrenzt bleiben.

(zuletzt geändert am: 27.11.2009)

Da die wichtigsten Bedingungen für die Entstehung von Acrylamid inzwischen klar sind, kann jeder etwas zur Verringerung beitragen: Industrie, Handwerk, Gastronomie und die Verbraucher. Die wichtigsten Verbrauchertipps betreffen vor allem Kartoffelprodukte wie Chips, Bratkartoffeln und Fritten, weil darin die höchsten Acrylamidwerte gemessen wurden. Aber auch bei der weihnachtlichen Plätzchenbäckerei kann man den Acrylamidgehalt durch einfache Maßnahmen niedrig halten.

Backen

Wer selber backt, kann den Acrylamidgehalt seiner Plätzchen und Stollen deutlich vermindern, indem er ein paar Regeln beachtet:

  • "Vergolden statt verkohlen" – das Gebäck sollte nicht zu stark bräunen. Backpapier verhindert zum Beispiel eine starke Bräunung von unten.
  • Die Temperatur des Backofens sollte allgemein nicht höher als 180°C mit Umluft oder 200°C ohne Umluft sein; bei Kleingebäck wie etwa Vanillekipferl sollten die Temperaturen 170°C mit Umluft, 190°C ohne Umluft nicht überschreiten. Acrylamid bildet sich nämlich erst bei höheren Temperaturen, was mit der Abnahme des Wassergehalts zusammenhängt.
  • Am trockenen Rand ist der Acrylamidgehalt demnach höher als im Inneren. Im allgemeinen gilt also: Großes Gebäck enthält weniger Acrylamid, weil seine Oberfläche im Verhältnis zum Volumen kleiner ist. Wer weihnachtliche Kuchen oder Stollen statt Plätzchen backt, vermindert damit auch noch einmal den Acrylamidwert.

Pommes, Bratkartoffeln und Chips

Am effektivsten wäre, auf Pommes und Chips zumindest so lange zu verzichten, bis die Hersteller nachweisen können, dass sie die Acrylamidgehalte spürbar verringert haben. Wer das nicht schafft oder nicht will, kann die Verzehrshäufigkeit reduzieren – weniger ist mehr! Vor allem Kinder sollten Kartoffelchips und Pommes frites nicht täglich verzehren, denn sie sind empfindlicher als Erwachsene. Wer ohnehin nur gelegentlich Kartoffelchips oder Pommes frites verspeist und auf eine helle Farbe achtet, braucht nicht übermässig besorgt sein.

Auch bei Kartoffelprodukten gilt: Entscheidend für die Acrylamidbelastung ist der Grad der Bräunung: Je dunkler die Bratkartoffeln, Fritten oder Chips, desto mehr Acrylamid können sie enthalten. Deshalb: Akzeptieren Sie sie nur goldgelb, nicht braun. Übrigens enthalten Kartoffelpüree, Kartoffelsalat, Salz- und Pellkartoffeln kein Acrylamid.

Wer Kartoffelprodukte selbst frittiert oder brät, kann folgende Dinge beachten:

  • Wer Fritten selber macht, sollte die Friteuse auf höchstens 175°C einstellen. Bei Backofen-Fritten sollte die Temperatur maximal 200°C beziehungsweise 180°C bei Umluftherden betragen. Bei höheren Temperaturen entsteht sehr viel mehr Acrylamid.
  • Verwenden Sie kein Frittieröl, das den Zusatzstoff E 900 enthält (steht auf der Zutatenliste, betrifft vor allem Industrie und Gastronomie). Das Schaumverhütungsmittel heizt eventuell die Acrylamidbildung an. Fragen Sie auch im Restaurant, ob dieser Zusatz noch verwendet wird!
  • Je größer die zu garende Portion, egal, ob im Backofen oder in der Friteuse, desto weniger Acrylamid entsteht.
  • Stellen Sie Bratkartoffeln aus gekochten Kartoffeln her, dann entsteht weniger Acrylamid. Das hängt vermutlich mit dem Wassergehalt zusammen.
  • Wenn Sie mögen, verwenden Sie Butter statt Öl für Ihre Bratkartoffeln. Das erhöht den Wassergehalt ein wenig und verhindert, dass Sie sie zu scharf braten: Da Butter zu knapp 20 Prozent aus Wasser besteht, spritzt sie, wenn sie zu hoch erhitzt wird.
  • Lagern Sie Kartoffeln nicht längere Zeit unter 8°C (also im Kühlschrank), denn dann entsteht aus der Stärke vermehrt Zucker, der mit Asparagin zu Acrylamid reagieren kann.
  • Lagern Sie Kartoffeln dunkel, damit sie nicht grün werden. Verwenden Sie keine Kartoffeln mit grünen Stellen, da in ihnen mehr Acrylamid entsteht.

Cornflakes

Bei Cornflakes empfiehlt es sich, auf einfache Varianten zurückzugreifen oder auf Haferflocken, weil in gezuckerten, karamellisierten, mit Honig umhüllten und besonders krossen Varianten erfahrungsgemäß mehr Acrylamid entstehen kann.

Brot

Toastbrot sollte nicht allzu dunkel getoastet werden. Beim Brotkauf und Brotbacken kann auf eine hellere Kruste geachtet werden.

Was darf man denn überhaupt noch essen?

Es ist nicht sinnvoll, auf Brot, Kaffee, Kakao oder Zwieback ganz zu verzichten. Die darin gefundenen Acrylamidmengen liegen meist deutlich unter jenen von Pommes und Chips. Wissenschaftlich begründbare Ernährungsempfehlungen sind allerdings aufgrund der Unsicherheiten bei der Risikobewertung zurzeit nicht möglich. Letztlich können auch bei der Zubereitung anderer Lebensmittel unerwünschte Stoffe entstehen, zum Beispiel beim Grillen oder Braten von Fleisch.

Gut lüften

Acrylamid ist leicht flüchtig, das heißt, es kann auch eingeatmet werden und auf diesem Weg Lunge, Atemwege, Augen und Haut reizen. Solange nicht bekannt ist, ob im Haushalt ein Risiko durch das Einatmen von Acrylamid besteht, empfiehlt es sich, die Küche beim Braten, Backen und Frittieren gut zu lüften.

(zuletzt geändert am: 27.11.2009)

foodwatch hat von 2002 an regelmäßig Kartoffelchips und Weihnachtsgebäck auf Acrylamid testen lassen und die Ergebnisse veröffentlicht. Alle Jahre wieder für immer dieselben Lebensmittel, bis 2009. Mit diesen Tests wollte foodwatch bei typischerweise hoch belasteten Produkten überprüfen, ob die Hersteller ihre Minimierungs-Versprechungen auch in die Tat umsetzen. Dies ist nur zum Teil der Fall, obwohl inzwischen das Know-how da ist, um Acrylamid weitgehend zu vermeiden. In unregelmäßigen Abständen testen zudem Stiftung Warentest und Ökotest bei ihren Produkttests auch auf Acrylamid.

Behörden halten Acrylamidwerte geheim

Ansonsten ist es für Verbraucher schwierig, sich über den Acrylamidgehalt von Produkten zu informieren. Dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) liegen zwar tausende Messdaten für Produkte aus dem Handel vor, es veröffentlicht aber nur einen Bruchteil – zuletzt Einzeldaten für Kartoffelchips und Weihnachtsgebäck aus dem Jahr 2010. Auch die Hersteller der Produkte verfügen über eigene Analysewerte, müssen diese aber noch nicht einmal auf Anfrage herausgeben.

Was hingegen regelmäßig von den Behörden in Deutschland und der EU veröffentlicht wird, sind anonymisierte Durchschnittswerte für die Belastung innerhalb verschiedener Produktgruppen. Mit diesen Informationen können weder Verbraucher etwas anfangen noch bringen sie die Hersteller dazu, konsequent alle Möglichkeiten zur Minimierung der Belastung auszuschöpfen. foodwatch fordert: Alle Messergebnisse müssen an einer zentralen Stelle im Internet veröffentlicht werden. Der Acrylamidgehalt muss außerdem direkt auf der Verpackung gekennzeichnet werden, damit Verbraucher sich beim Einkauf schützen können.

(zuletzt geändert am 03.11.2012)