Die Lebensmittellobby arbeitet mit Hochdruck daran, die Berechnungsgrundlage des Nutri-Score so zu verwässern, dass unausgewogene Produkte gesünder abschneiden. Zum Beispiel bei Fruchtsaft: Aktuell berechnet der Nutri-Score den Zuckergehalt in Getränken strenger als bei festen Lebensmitteln, denn zuckrige Getränke sind eine der Hauptursachen für Fettleibigkeit. Setzt die Lobby sich mit ihrer Taktik durch, bekäme Traubensaft statt einem roten E ein grünes A – dabei enthält er 60 Prozent mehr Zucker als Coca-Cola!
Orangensaft wird mit einem gelben C bewertet, denn er enthält zwar viel Frucht und damit auch günstige Nährwerte, aber mit 88 Gramm je Liter auch sehr viel Zucker. Wenn es nach der Industrie ginge, bekommt er trotzdem ein dunkelgrünes A – eine Bewertung, die bislang bei Getränken alleine Wasser vorbehalten ist.
Der Lebensmittelverband fordert, dass Fleisch- und Wurstwaren positiver berechnet werden sollten. Und das, obwohl in Deutschland etwa doppelt so viel Fleisch gegessen wird wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen. Die Folge: Fettig-salzige Salami wie die von Ferdi Fuchs würde besser abschneiden …
… genauso wie diese Schweinenackensteaks von Rewe.
Die Lebensmittelindustrie will, dass neben dem Nutri-Score noch weitere Kennzeichnungsmodelle verwendet werden dürfen. Die Folge wäre ein Kennzeichnungsdschungel im Supermarkt. Die zentrale Funktion des Nutri-Scores – der Vergleich von Produkten auf einen Blick – würde durch die Verwendung unterschiedlicher Modelle unmöglich gemacht.
Wenn es nach der Lebensmittellobby gehen soll, bekämen Milchmischgetränke eine deutlich bessere Bewertung. Der stark gezuckerte Starbucks-Kaffee wäre dann plötzlich hellgrün statt dunkelrot.
Zensur statt Transparenz: Apps wie Open Food Facts, die den Nutri-Score von Produkten anzeigen, NGOs oder Journalistinnen, die für einzelne Produkte beispielhaft den Nutri-Score berechnen – wenn es nach den Wünschen der Lobby geht, soll all dies verboten sein.
Der Lebensmittelverband fordert, dass bestimmte Lebensmittelgruppen nicht einheitlich auf Basis von 100 Gramm beziehungsweise 100 Millilitern berechnet werden, sondern auf Basis kleinerer Portionsgrößen. Und schwupps, könnte beispielsweise der Nutri-Score der fettig-zuckrigen Nutella von Rot auf Gelb springen. Dieser Effekt trat zumindest so ein, als die britische Ampelkennzeichnung von der Industrie derart abgeändert wurde. Denn: bei Brotaufstrichen sind die angegebenen Portionsgrößen besonders klein (15g).