Pressemitteilung 09.01.2020

Erste höchstrichterliche Entscheidung zu „Topf Secret“: Verbraucher haben Rechtsanspruch auf Hygiene-Kontrollergebnisse

Verbraucherinnen und Verbraucher haben einen Rechtsanspruch zu erfahren, was die Hygienekontrollen in Lebensmittelbetrieben ergeben haben. Das hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg als erstes Oberverwaltungsgericht entschieden. Im juristischen Streit um die Verbraucher-Plattform „Topf Secret“ liegt damit die erste höchstrichterliche Entscheidung zum Informationsanspruch vor. Über das Portal der Verbraucherorganisation foodwatch und der Transparenzinitiative FragDenStaat können Bürgerinnen und Bürger die amtlichen Kontrollberichte der Lebensmittelüberwachung erfragen.

„Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zerpflückt in aller Deutlichkeit die Argumente, die regelmäßig von der Gastro-Lobby gegen Topf Secret ins Feld geführt werden. Nun ist höchstrichterlich bestätigt: Bürgerinnen und Bürger haben einen Rechtsanspruch auf die Hygiene-Kontrollergebnisse“, erklärte Rauna Bindewald, Volljuristin und Campaignerin bei foodwatch.  

foodwatch sieht in der Entscheidung eine Signalwirkung für die vielen weiteren Verfahren um die Transparenz-Plattform. Aktuell wehren sich hunderte Lebensmittelbetriebe gerichtlich gegen die Herausgabe von Kontrollergebnissen – auch mit Unterstützung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA), der seine Mitglieder ermutigt, gegen auskunftsbereite Behörden vorzugehen. Mehrere der zentralen Argumente des DEHOGA wurden vom VGH Baden-Württemberg nun jedoch ausdrücklich abgewehrt. So behauptet der DEHOGA in einem „Argumentationspapier“ unter anderem, dass die über „Topf Secret“ gestellten Anträge missbräuchlich seien, weil die Kontrollergebnisse auf einer Internetplattform veröffentlicht werden sollen. Dies entspreche nicht dem Zweck des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG). Der Verwaltungsgerichtshof machte hierzu allerdings deutlich: „Im Gegenteil, es entspricht der ausdrücklichen Zwecksetzung des § 1 VIG, den Markt transparenter zu gestalten, sodass in einer Internetpublikation eine Stärkung des Verbraucherschutzes gesehen werden kann.“

Außerdem argumentiert der DEHOGA damit, dass die Informationserteilung die grundrechtlich verbürgte Berufsfreiheit der Betriebe verletze. Im Beschluss des VGH heißt es dazu: „Das Grundrecht der Berufsfreiheit vermittelt kein Recht des Unternehmens, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie es gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selber sieht.“ Der VGH weist im konkreten Fall außerdem darauf hin, dass das Unternehmen die negative Darstellung in der Öffentlichkeit durch rechtstreues Verhalten hätte verhindern können. 

Zahlreiche Verwaltungsgerichte haben in den letzten Monaten über die Klagen und Anträge betroffener Betriebe gegen die Weitergabe von Kontrollergebnissen entschieden – mit unterschiedlichem Ausgang. In zweiter Instanz beschäftigen sich derzeit mehrere Oberverwaltungsgerichte mit „Topf Secret“. foodwatch erwartet die Entscheidungen in den nächsten Wochen. Auch das OVG Hamburg hatte kürzlich einen Beschluss veröffentlicht, jedoch keine Entscheidung über die eigentliche Rechtsfrage getroffen, ob Bürgerinnen und Bürger die Lebensmittelkontrollberichte erhalten dürfen. Es hatte lediglich in einem sogenannten Eilverfahren entschieden, dass die Informationen bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorerst zurückgehalten werden müssen. Nun hat mit dem VGH Baden-Württemberg erstmalig ein Oberverwaltungsgericht zu der eigentlichen Rechtsfrage Stellung genommen. Der VGH folgte dabei der Linie des Bundesverwaltungsgerichts. Das höchste Verwaltungsgericht hatte kürzlich in einem Grundsatzurteil die Informationsrechte ebenfalls eindeutig gestärkt: Bürgerinnen und Bürger hätten über das VIG einen Rechtsanspruch, amtliche Informationen zur Lebensmittelüberwachung zu erhalten – auch eine mögliche Veröffentlichung stehe dem nicht entgegen. 

Seit dem Start im Januar 2019 wurden mehr als 40.000 VIG-Anfragen über „Topf Secret“ verschickt. Der Großteil der etwa 400 in Deutschland zuständigen Behörden gewährt den Bürgerinnen und Bürgern die beantragten Informationen.