Nachricht 11.11.2009

Sommer-Report liegt vor

Die Berichterstatterin des EU-Parlaments, Renate Sommer, stellt sich in ihrem Bericht noch einmal deutlich gegen die Ampel. Was sie vorschlägt, entspricht weitgehend der Wunschliste der Lebensmittelindustrie – ergänzt um eigene Prioritäten: Um den Muttertag nicht zu ruinieren, sollen Geschenkverpackungen ohne Angabe des Zucker- oder Fettgehalts auskommen.

Lange und mit Spannung war er erwartet worden: Die Berichterstatterin des Europäischen Parlaments Renate Sommer (CDU/EVP) hat ihren Bericht zur Lebensmittelinformationsverordnung vorgelegt/typo3/. Da es noch einige Tage dauern soll, bis alle Übersetzungen des Reports vorliegen, wird die Frist für Änderungsanträge im federführenden Ausschuss für Umwelt und Gesundheit (ENVI) um zwei Tage verlängert, vom 7. auf den 9. Dezember 2009. Der Inhalt des Berichts – Sommers Vorschläge – in der Zusammenfassung:

Vorne nur Kalorienangaben

Zur Nährwertkennzeichnung schlägt Sommer vor, auf der Verpackungsvorderseite nur die Kalorienangabe verbindlich vorzuschreiben, als Grammangabe und GDA, immer rechts untern auf der Schauseite.

Wegen Muttertag: Ausnahmen für Geschenkverpackungen

Von der Kennzeichnungspflicht vorne ausgenommen werden sollen Geschenkverpackungen. Damit übernimmt Renate Sommer eine Forderung der Industrie (siehe 9.11.2009). Sie begründet dies mit den Folgen für den Muttertag: "Die visuelle und ästhetische Wirkung der für festliche Anlässe wie den Muttertag entworfenen Geschenkverpackungen für Schokoladen- oder Pralinenerzeugnisse würde ruiniert, wenn die Nährwertdeklaration auf der Vorderseite angebracht werden müsste."

„Big 8“ auf der Rückseite

Auf der Rückseite der Verpackungen verbindlich sollen die Big Eight in Tabellenform abgedruckt werden – allerdings mit der Angabe von Natrium (statt Salz wie im Kommissionsentwurf) – als Grammangabe und GDA. Statt Portionsgrößen sollen die Angaben vorne und hinten in der Regel pro 100 Gramm gemacht werden, auch bei Packungen mit weniger als 100 g Inhalt; zusätzlich sind Portionsangaben möglich (der Kommissionsentwurf hatte als Alternative zur Angabe pro 100g auch Portionsangaben zugelassen).

Große Schrift führt zu Verpackungsmüll

Eine Mindest-Schriftgröße soll nur für Kalorienangabe auf der Vorderseite (3mm) vorgeschrieben werden, sonst heißt es: Die Angaben sollen "lesbar" sein. Sommer begründet: "Eine durchgängige Mindestschriftgröße von 3 mm ist in der Realität nicht umsetzbar. [...] Eine verpflichtende 3-mm-Schriftgröße würde zu vergrößerten Lebensmittelpackungen, zusätzlichem Verpackungsmüll und eventuell sogar größeren Portionen führen."

Sommer gegen nationale Spielräume

Weil die wissenschaftliche Erkenntnis fehle, sollen jetzt nur "Basisinformationen" vorgeschrieben werden. Nationale Spielräume: Keine. Der Passus "...können im Rahmen einer nationalen Regelung gemäß Artikel 44 grafische Formen oder Symbole verwendet werden, sofern..." (Art. 44, Abs. 5) des Kommissionsentwurfs soll laut Sommer ersatzlos gestrichen werden. Sie schreibt: "Völlig unverständlich erscheint [...]das Vorhaben, den Mitgliedstaaten weit reichende eigene Regelungsmöglichkeiten einzuräumen. Dies würde zu einer weiteren Zersplitterung des Binnenmarktes im Bereich Lebensmittel führen und den vorliegenden Verordnungsentwurf ad absurdum führen."

Ampel führe zu Mangelernährung weiter Bevölkerungsteile

Eine Pflicht-Ampel hätte nach Einschätzung Sommers fatale Auswirkungen: "In Anbetracht der Tatsache, dass der vorliegende Verordnungsentwurf eine auf alle Lebensmittel und alkoholfreien Getränke anwendbare, einheitliche Pflichtkennzeichnung erreichen soll, würde die Farbkennzeichnung Grundnahrungsmittel diskriminieren und z.B. die eher minderwertigen Lebensmittelimitate sowie Lebensmittel mit künstlichen anstelle natürlicher Komponenten bevorzugen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre so eine Fehl- und Mangelernährung weiter Teile der Bevölkerung vorprogrammiert."

Kritik an Kommission wegen des Zeitplans

Sommer schreibt weiter: "Im Übrigen ist der Zeitpunkt der Vorlage des Kommissionsentwurfes nicht nachvollziehbar, denn erst im August 2008 begann die bisher einzige, alle Mitgliedstaaten abdeckende wissenschaftliche Untersuchung über den Einfluss von Lebensmittel-Etikettierungen auf die Kaufentscheidungen von Konsumenten [gemeint ist die industrienahe FLABEL-Studie, s.o.]. Diese Studie, gefördert durch das 7. Forschungsrahmenprogramm, müsste eigentlich die Basis für diesen Gesetzesentwurf zur Information über Lebensmittel sein; jedoch ist mit konkreten Ergebnissen erfahrungsgemäß erst nach etwa drei Jahren zu rechnen. Zum jetzigen Zeitpunkt können also allenfalls Vermutungen und subjektive Erfahrungen der beteiligten Akteure in die neue Kennzeichnungsgesetzgebung einfließen..."

Doch, obwohl die wissenschaftliche Erkenntnis fehle, weiß Sommer: "Nach Auffassung Ihrer Berichterstatterin würde aber eine Überfrachtung der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen mit einer Vielzahl von Nährwertinformationen, [...] dazu führen, dass diese Information letztendlich ignoriert wird. Schließlich hat der Konsument beim Einkauf nicht nur eine Produktverpackung im Blick, sondern ganze "Batterien" in den Regalen der Lebensmittelgeschäfte. Da sich die überragende Mehrheit derjenigen Konsumenten, die sich Gedanken um ihre Ernährung machen, nach bisheriger Erkenntnis hauptsächlich für den Energiegehalt eines Lebensmittels interessiert, sollte die verpflichtende Angabe des Gehalts an Kilokalorien, aus Gründen der Vergleichbarkeit der Produkte bezogen auf 100 g bzw. 100 ml, auf der Schauseite der Verpackung ausreichend sein."