Nachricht 24.06.2011

Storcks Reaktion auf die Nominierung für den Goldenen Windbeutel 2011

Die August Storck KG antwortet seit dem 16. Mai 2011 auf Medienanfragen zur foodwatch-Kritik an dem Produkt Nimm2 mit einem dreiseitigen Schreiben des Unternehmenssprechers Dr. Bernd Rößler. Dieser weist die Kritik an Nimm2 zurück und erhebt seinerseits Vorwürfe gegenüber foodwatch. Zu den einzelnen Punkten nehmen wir wie folgt Stellung.

1. Produktkritik

foodwatch hat seine Kritik an Nimm2 im Juli 2010 auf der Internetseite abgespeist.de veröffentlicht (www.abgespeist.de/nimm2). Seitdem haben sich mehr als 7.500 Verbraucher per E-Mail bei Hersteller Storck beschwert. Es spricht für sich, dass Storck auf Anfrage von foodwatch am 10. Mai 2010 schriftlich erklärt hat, die Anreicherung mit Vitaminen beruhe „nicht auf einem wie auch immer gearteten ernährungsphysiologischen Konzept“.

Die Irreführung der Verbraucher führt Storck fort, wenn es in dem Brief an Medienvertreter heißt: „Zielgruppe unserer Werbung sind übrigens nicht, wie es foodwatch suggeriert, Kinder, sondern fast durchweg Erwachsene.“ Ein Blick auf die Produkt-Website nimm2.de zeigt, wie sehr sich die Werbung an Kinder richtet – angefangen vom Gewinnspiel für Utensilien zum „Sommerabenteuer“ bis hin zur Funktion „Geheimsprache basteln“, unter der es heißt: „Pssst..Eltern müssen draußen bleiben“.

2. Anschubfinanzierung von foodwatch

Storck wirft foodwatch mangelnde Unabhängigkeit vor. In dem Brief an Medienvertreter schreibt Unternehmenssprecher Dr. Bernd Rößler:

„Die an den Regeln der Empörungskommunikation und Kampagnenbildung ausgerichtete und damit polemische Kritik von foodwatch lässt sich sicher besser einordnen, wenn man den eigenen Auftritt dieser Organisation beleuchtet. Foodwatch ist ein Verein, der auf der Homepage Spenden mit der Eigendarstellung einwirbt, man sei unabhängig. Ausdrücklich heißt es: 'foodwatch nimmt kein Geld vom Staat oder von der Lebensmittelindustrie.' Richtig ist dagegen, dass foodwatch mit einer Anschubfinanzierung des Süßwarenunternehmers Alfred Ritter in Höhe von 250.000 € gegründet worden ist. Die Auseinandersetzung mit unserem Produkt stammt also von einer Organisation, die sehr maßgeblich von einem Hauptwettbewerber unseres Hauses finanziert worden ist. Dieser Hauptwettbewerber tritt im Markt mit einer bekannten Marke, nämlich 'Ritter Sport', an. Die Markterfolge für die unter dieser Marke angebotenen Süßwaren sind damit von dem Sportbezug geprägt, den foodwatch zuletzt unter www.abgespeist.de in Bezug auf das Produkt 'Milchschnitte' von Ferrero in scharfer Form angeprangert hat. Es ist bei dieser Hybris alles andere als verwunderlich, dass sich ein Produkt dieses Süßwarenunternehmers in den Kampagnen dieser Organisation nicht findet. Dieser Erfolg wird nicht Intention des Spenders gewesen sein. So kennen wir ihn nämlich nicht. Eine andere Frage ist aber, wie die Organisation foodwatch mit dem Umstand der Anschubfinanzierung durch einen Süßwarenunternehmer in der Eigendarstellung und insbesondere in der Spendenwerbung umgeht."

Dazu stellen wir klar:

foodwatch wurde im Jahr 2002 gegründet. Zur Anschubfinanzierung dienten Spenden und langfristige Darlehen von der GLS Gemeinschaftsbank und von Privatpersonen. Die Details sind öffentlich bekannt und werden auf der foodwatch-Internetseite beschrieben. Auch die Tatsache, dass Alfred Ritter zu den Spendern gehörte, haben wir transparent gemacht. Unwahr ist die Behauptung der Lebensmittelzeitung vom 20. Mai 2011, dass Storck dies „mithilfe eigener Nachforschungen“ aufgedeckt habe.

Das Startkapital von foodwatch betrug rund 1,5 Millionen Euro. Alfred Ritter hat über mehrere Jahre hinweg insgesamt 250.000 Euro aus seinem Privatvermögen gespendet. Dieses Engagement geht auf eine persönliche Bekanntschaft von foodwatch-Gründer Thilo Bode mit Alfred Ritter zurück. Zur Zeit der Gründung von foodwatch stand in Folge der BSE-Krise zunächst die Land- und Futtermittelwirtschaft im Fokus der Aktivitäten. Die vertiefte Auseinandersetzung mit der Lebensmittelindustrie ist eine Entwicklung der vergangenen Jahre. Dieser inhaltlichen Weiterentwicklung hat foodwatch durch eine Änderung der Spendenpraxis Rechnung getragen: Spenden der Lebensmittelindustrie werden grundsätzlich abgelehnt. Bei allen Spenden ab einem Betrag von 500 Euro im Jahr wird überprüft, ob es einen Zusammenhang zur Lebensmittelindustrie gibt. Auch eine Spende von Alfred Ritter würde heute zurückgewiesen. Die Namen von Großspendern ab einem Betrag von 5.000 Euro pro Jahr veröffentlichen wir auf unserer Website.

Nachweislich haben die Zuwendungen von Alfred Ritter – und auch die von Karl Ludwig Schweisfurth – keinen Einfluss auf die Arbeit von foodwatch gehabt. Das Unternehmen Ritter ist – wie die Süßwarenindustrie insgesamt – ein vehementer Gegner der Ampelkennzeichnung für den Fett-, Zucker- und Salzgehalt von Produkten. Das hat foodwatch nicht davon abgehalten, mit einer der größten und längsten Kampagnen der Organisation für die Ampelkennzeichnung einzutreten. Auch mit der Bio-Branche, zu deren Vertretern Karl Ludwig Schweisfurth gehört, hat sich foodwatch immer wieder kritisch auseinandergesetzt und mit einem Klima-Report im Jahr 2008 beispielsweise auf die teils problematische Klimabilanz z. B. der biologischen Rindfleischproduktion hingewiesen.

Dass sich foodwatch aufgrund der Zuwendungen von Alfred Ritter nicht kritisch mit der Firma Ritter Sport auseinander gesetzt habe, ist falsch. So heißt es im 2010 erschienenen Buch „Die Essensfälscher“ von foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode in Kapitel 5 („Moderne Märchen: Unternehmerische ‚Verantwortung‘ für die Rettung der Welt“; S. 115f.):

„Wohin man schaut – es wimmelt von wohltätigen Unternehmen, die ihre Wohltätigkeit vom Abverkauf bestimmter Produkte abhängig machen. Der Bonner Süßwarenhersteller Haribo spendet, begrenzt auf dreieinhalb Monate, für jeden verkauften Goldbären-Beutel einen Cent des Verkaufspreises an „Ein Herz für Kinder“ und sichert zu, die Spendensumme aus den Verkäufen nach Ablauf der Aktion zu verdoppeln; wie immer ist Showmaster Thomas Gottschalk werblich mit von der Partie. 1,4 Cent für jede Tafel einer bestimmten Schokoladen-Sorte überwies der schwäbische Hersteller Ritter Sport an Unicef („1 Packung Quadrago = 1 Tag lernen“), um Schulkindern in Afrika Stifte und Schiefertafeln für den Unterricht zu finanzieren; prominente Fürsprecherin war die Schauspielerin Iris Berben. Für jede verkaufte Packung Fischstäbchen während einer halbjährigen Aktion sammelte Iglo einen Cent für die Naturschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) und ihren Kampf für die bestandserhaltende Fischerei. Wenn der Preis und die Qualität eines Produkts nichts mehr hergeben zur Differenzierung von der Konkurrenz, und weil es ohnehin im Trend liegt, sich fürs Klima, die Umwelt und die Mitmenschen als „verantwortlich“ zu gerieren, empfiehlt sich für Lebensmittelunternehmen folgendes Vorgehen: Man verpflichte ein aus dem Fernsehen bekanntes Gesicht, diene sich einer Hilfs- oder Umweltschutzorganisation mit dem Argument an, dass man neue Spendenquellen für sie erschließe – und schon ist fertig, was Werber „responsible Marketing“ nennen. Man beachte: Das Hauptwort in dem Begriff ist das Wort Marketing. Es geht dabei um nichts anderes als um ein modernes Instrument, um in dem von Werbung überladenen Lebensmittelmarkt frische Aufmerksamkeit zu generieren.“

3. Gehälter

Storck schreibt in seinem Brief an Medienvertreter:

„Die vielfach in der Ansprache von foodwatch verwendete Bezeichnung Verbraucherorganisation halten wir angesichts dieser Zusammenhänge für fragwürdig. Dies gilt sicher erst recht, wenn man berücksichtigt, dass foodwatch den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine Vergütung im Bereich vergleichbarer Tariflöhne bezahlt und nicht über ein DZI-Spendensiegel verfügt, aber Herrn Dr. Thilo Bode ein Auskommen ermöglicht, das sich durch Einkünfte in der Größenordnung von 100.000 € per anno als ausgesprochen komfortabel darstellt. Man kann all diese Widersprüche auch auflösen: foodwatch erscheint als eine Marketingmaschine für die Alimentationsinteressen von Herrn Dr. Thilo Bode.“

Dazu stellen wir klar:

Storck wirft foodwatch vor, den Mitarbeitern keine „Vergütung im Bereich vergleichbarer Tariflöhne“ zu bezahlen – ohne jedoch zu erklären, was denn vergleichbare Tariflöhne sein sollen. Es gibt in Deutschland schlichtweg keinen Tarif für die Mitarbeiter zivilgesellschaftlicher Nicht-regierungsorganisationen.

Die Höhe der Gehälter bei foodwatch orientiert sich am Gehaltsniveau vergleichbarer Nichtregierungsorganisationen und berücksichtigt den sorgsamen Umgang mit Mitglieder- und Spendengeldern.

Dr. Thilo Bode als Geschäftsführer erhält jährlich insgesamt 12 Monatsgehälter in Höhe von jeweils 5.800 Euro (brutto). Hinzu kam im Jahr 2010 eine Einmalzahlung in Höhe von 700 Euro brutto, wie sie jedem und jeder foodwatch-Angestellten in derselben Höhe gewährt wurde.

4. DZI-Spendensiegel

In dem unter 3. zitierten Absatz thematisiert Storck auch das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). Hierzu stellen wir klar:

Das Spendensiegel des DZI wurde speziell für Hilfsorganisationen konzipiert und konnte anfangs auch nur von solchen Organisationen beantragt werden. Erst 2004 wurde die Vergabe des Siegels für alle Organisationen, die als steuerlich begünstigt anerkannt sind, geöffnet. Die für den Erwerb des Spendensiegels entworfenen Kriterien sind nach wie vor auf die besonderen strukturellen Gegebenheiten von Hilfsorganisationen ausgerichtet. Das heißt, dass zum Beispiel die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit stark reglementiert sind, weil der überwiegende Teil des Geldes in die karitative Arbeit fließen soll. In einer Kampagnenorganisation wie foodwatch kommt aber der Öffentlichkeitsarbeit ein ganz anderer Stellenwert zu als in einer Hilfsorganisation. In einer Kampagnenorganisation ist der Aufbau öffentlichen Drucks ein wichtiges Mittel, um eine Kampagne zum Erfolg zu führen.

Trotz der Öffnung des Siegels 2004 für alle gemeinnützigen Organisationen tragen nach wie vor überwiegend Hilfsorganisationen dieses Siegel. Große und bekannte Umweltschutzvereine und Kampagnenorganisationen wie Greenpeace, der BUND, WWF und Human Rights Watch – um nur einige zu nennen – tragen dieses Siegel ebenfalls nicht (Stand: Februar 2011).

Der Erwerb eines solchen Siegels verursacht beträchtliche Kosten – und damit die Ausgabe von Spendengeldern. Da zudem die Nachfrage nach dem Siegel durch Interessenten und potenzielle Spender von foodwatch in der Vergangenheit äußerst gering war, haben wir den Erwerb des DZI-Siegels bislang nicht forciert.

Eine neutrale und externe Kontrolle der satzungsmäßigen Mittelverwendung von Spenden, Mitglieds- oder Förderbeiträgen findet bei foodwatch dadurch statt, dass wir auf freiwilliger Basis den vom Steuerberater erstellten Jahresabschluss zusätzlich durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen lassen, um ein Wirtschaftsprüfertestat zu erhalten. Dieses Testat haben bisher alle Jahresabschlüsse von foodwatch bekommen. Das Testat für den Jahresabschluss 2010 wird in Kürze veröffentlicht.

foodwatch beteiligt sich außerdem an der „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“, einer Initiative für Transparenz bei gemeinnützigen Organisationen. Sie wird getragen u.a. von Transparency Deutschland e.V., dem Bundesverband deutscher Stiftungen, dem Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI), dem Deutschen Fundraising Verband und dem Deutschen Spendenrat. Ein Ziel der Initiative ist, dass die Organisationen einheitliche Angaben zu Satzung, Namen der Entscheidungsträger, Mittelherkunft, Mittelverwendung und Personalstruktur veröffentlichen.