Nachricht 09.04.2021

Wie die Grünen CETA aus ihrem Wahlprogramm gemogelt haben

picture alliance, dpa / kay nietfeld

Wenige Monate vor der Bundestagswahl 2021 haben die Grünen ihren jahrelangen Widerstand gegen das umstrittene europäisch-kanadische Handelsabkommen CETA aufgegeben. Das offenbart ein genauer Blick in den Entwurf des Wahlprogramms.

Vielen sind sie noch gut in Erinnerung: Die Proteste gegen TTIP und CETA im Jahr 2015. Hunderttausende Menschen gingen gegen Handelsabkommen auf die Straße, die eine Gefahr für die Demokratie darstellen und Umwelt- und Verbraucherstandards bedrohen. Auf diesen Demonstrationen wehten auch viele grüne Flaggen. Die heutige Parteichefin Annalena Baerbock stellte sich damals klar gegen CETA: Das europäisch-kanadische Handelsabkommen diene „vor allem den Interessen von Großkonzernen“ und drohe „Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu untergraben“.

Parteiführung unterstützt „vorläufige Anwendung“ von CETA

Dieses klare „Nein“ zu Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP scheint sechs Jahre später nicht mehr so eine große Bedeutung für die Partei zu haben. In dem Entwurf des Grünen Wahlprogramms heißt es, man wolle das Abkommen in der „derzeitigen Fassung nicht ratifizieren, sondern es bei der Anwendung der derzeit geltenden Teile belassen.“ Mit dieser Formulierung tolerieren die Grünen, dass weite Teile von CETA auch in Zukunft in Kraft bleiben – ohne, dass Bundestag und Bundesrat den Vertrag ratifiziert haben. Auch die schon heute vorläufig geltenden Teile des CETA-Vertrages sind undemokratisch und können negative Folgen für die Bürgerinnen und Bürger in Europa haben. Die durch CETA eingerichteten „Vertragskomitees“ können bereits jetzt ohne jegliche parlamentarische Kontrolle weitreichende Entscheidungen treffen, etwa zu Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltstandards.

Rauna Bildewald, Recherche und Kampagnen, foodwatch
Die Grünen wollen sich klammheimlich von ihrem bisherigen ‚Nein‘ zu CETA verabschieden – mit einem kaum verständlichen Nebensatz im Wahlprogramm.
Rauna Bindewald Campaignerin bei foodwatch Deutschland

Das CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada wird zwar schon seit 2017 vorläufig angewendet. Es wurde aber noch nicht von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert, auch von Deutschland nicht. Sagt ein einziges Land „Nein“, ist CETA vom Tisch. In Deutschland müssen sowohl Bundestag als auch Bundesrat zustimmen. Wann – und ob – es dazu kommt, ist jedoch unklar.

CETA ist schon jetzt in Kraft – und eine Gefahr 

Auch die bereits in Kraft getretenen Teile von CETA weisen laut einem kürzlich von foodwatch veröffentlichten Rechtsgutachten schwere demokratische Defizite auf und könnten negative Folgen für den Gesundheits- und Verbraucherschutz in Europa haben. In geheim tagenden CETA-Vertragsausschüssen können Vertreter*innen der Regierung von Kanada und der EU-Kommission weitreichende Entscheidungen treffen, etwa über Hygienekontrollen beim Import von Fleisch oder über die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Sicherheitsstandards bezüglich Pestizide – eine demokratische Kontrolle durch das EU-Parlament oder die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten fehlt.

Einmal gefasste Beschlüsse der CETA-Komitees kann die EU nicht mehr einseitig aufheben. Selbst wenn die EU-Staaten sich also zum Beispiel einig wären, durch die Ausschüsse gegenseitig anerkannte Sicherheitsstandards für Pestizide zu verschärfen, könnte dies ohne die Zustimmung Kanadas nicht für kanadische Erzeugnisse gelten. Denn Regeln, die den CETA-Verpflichtungen widersprechen, stellten automatisch einen Verstoß gegen das Völkerrecht dar.

Appell an die Grünen

foodwatch fordert die Parteimitglieder der Grünen auf, die 180-Grad-Wende in der Handelspolitik zu verhindern und einen entsprechenden Änderungsantrag einzubringen und zu unterstützen.  Zugleich haben wir gemeinsam mit dem Verein „Mehr Demokratie“ eine Online-Unterschriftenaktion an den Grünen-Bundesvorstand gestartet. Jetzt mitmachen und unterschreiben: www.ceta-stoppen.foodwatch.de