Nachricht 10.11.2016

Lobbyverein verfälscht eigene Studienergebnisse

Der Lobbyverein „Die Lebensmittelwirtschaft“ hat die Ergebnisse einer eigens in Auftrag gegebenen Studie grob verzerrt wiedergegeben. Was die Forscher herausgefunden hatten, passte den Industrievertretern offenbar gar nicht. 

Seit Jahren stemmen sich die Lobbyverbände der Lebensmittelindustrie gegen mehr Transparenz und verbindliche Regeln – sei es eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln oder eine Beschränkung der Kinderwerbung. Das Argument: Der Staat dürfe die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht bevormunden.

Kampfbegriff "Bevormundung"

Der Lobbyverein „Die Lebensmittelwirtschaft“ hat nun eine Verbraucher-Studie „Das sollst Du essen“ veröffentlicht. Die Pressekommunikation zieht ein eindeutiges Fazit: Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen beim Essen nicht vom Staat bevormundet werden. Diese Interpretation basiert auf zwei von 73 Umfrageergebnissen. Demnach lehnt eine Mehrheit der Befragten die Aussage ab: “Der Staat hat das Recht über meinen Kopf hinweg zu entscheiden, was gesund ist und was nicht“. Zudem wollten die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher selbstbestimmt einkaufen. Zahlreiche gegenteilige Antworten werden vom Lobbyverein  in der Pressemitteilung verschwiegen.

„Der Lobbyverein ‚Die Lebensmittelwirtschaft‘ täuscht die Öffentlichkeit, weil ihm die Umfrageergebnisse nicht passen. Weder fühlen sich Verbraucherinnen und Verbraucher beim Lebensmitteleinkauf bevormundet noch lehnen sie eine Lebensmittelampel oder Werbebeschränkungen ab. Der Kampfbegriff ‚Bevormundung‘ ist eine reine Erfindung der Lebensmittelindustrie. Da hilft auch keine manipulative Studie mit suggestiven Fragen.“
Oliver Huizinga foodwatch-Campaigner

Nur jeder 10. Verbraucher fühlt sich bevormundet

Einige Beispiele: Nur etwa jeder zehnte der Verbraucherinnen und Verbraucher fühlt sich laut Umfrage beim Lebensmitteleinkauf bevormundet. 69 Prozent von ihnen würden sich von zusätzlichen Angaben (Smileys, Ampeln oder andere) auf Produktverpackungen nicht bevormundet fühlen. Gerade einmal jeder Dritte würde sich bevormundet fühlen, wenn der Staat einen Höchstwert für den Salzanteil von Lebensmitteln festlegen würde. Und nur 30 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher empfänden „Finanzielle Ansätze (Steuern)“ als bevormundend.

Verbraucher wollen mehr Transparenz

Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland sind also sehr wohl gegenüber gesetzlichen Regeln aufgeschlossen. Das belegen auch andere aktuelle Umfragen. Drei von vier Befragten sprechen sich in einer Emnid-Befragung vom Januar dieses Jahres für Werbebeschränkungen bei Kinderlebensmitteln aus. 78 Prozent fordern eine „Ampelkennzeichnung“. Und einer foodwatch-Umfrage vom Oktober 2016 zufolge hält mehr als die Hälfte aller Verbraucherinnen und Verbraucher (54 Prozent) eine zweckgebundene Hersteller-Abgabe auf zuckerreiche Getränke für eine geeignete Maßnahme, um eine gesunde Ernährung bei Kindern zu fördern.

Lobbyverein manipuliert nicht zum ersten Mal

„Die Lebensmittelwirtschaft“ verfälscht übrigens nicht zum ersten Mal die Ergebnisse einer eigenen Studie. Bereits 2014 kommunizierte der Lobbyverein die Ergebnisse der Studie „Verbraucherverständnis von Transparenz“ grob verzerrt. Der Verein behauptete damals, die Mehrheit der Verbraucher würde die existierenden Informationen auf Lebensmittel nicht oder kaum nutzen. In Wahrheit gaben 90 Prozent der Befragten an, vor dem ersten Kauf eines Produktes die Informationen auf der Verpackung „gelegentlich“, „oft“ oder „immer“ durchzulesen.