Nachricht 30.07.2019

foodwatch klagt gegen Klöckner-Ministerium

picture alliance/Michael Kappeler/dpa

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hält eine wissenschaftliche Studie geheim, die offenbar der Lebensmittelampel „Nutri-Score“ ein positives Zeugnis ausstellt. Das ist fatal: Denn Frau Klöckner will in Kürze über eine neue Nährwertkennzeichnung entscheiden. Transparenz über die wissenschaftlichen Beratungsgrundlagen wäre gerade jetzt unerlässlich!

foodwatch hat wegen der Geheimhaltung einer Studie zur Nährwertkennzeichnung gegen das von Julia Klöckner geführte Bundesernährungsministerium Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Klöckner hatte im April dieses Jahres einen von ihrem Ministerium redaktionell bearbeiteten Bericht des staatlichen Max-Rubner-Instituts zur Nährwertkennzeichnung bei Lebensmitteln vorgestellt – die zugrundeliegende Original-Studie mit der rein wissenschaftlichen Bewertung der Experten, die der Nutri-Score-Ampel ein positives Zeugnis ausstellt, will sie jedoch auch auf mehrfache Nachfrage von foodwatch nicht herausgeben.

„Geheime“ Studie bewertet Nutri-Score positiv

Wie aus internen E-Mails des Bundesernährungsministeriums hervorgeht, hatte das Max-Rubner-Institut bereits im Herbst 2018 einen Bericht vorgelegt. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass die Nutri-Score-Ampel nach französischem Vorbild „grundsätzlich vorteilhaft für eine ‚Front of Pack‘-Nährwertkennzeichnung“ sei – so lautete die klare Einschätzung aus dem Bundesernährungsministerium zu den Forschungsergebnissen. In einem internen Vermerk hieß es allerdings, Ministerin Klöckner habe „ausdrücklich darum gebeten, (…) größte Vertraulichkeit sicherzustellen“. Die „Prüfung der MRI-Studie“ bedürfe noch „der Abstimmung mit anderen Referaten“. Ein halbes Jahr später veröffentlichte das Bundesernährungsministerium dann eine offenbar überarbeitete Fassung der Studie. Bei der Vorstellung Anfang April bewertete Frau Klöckner den Nutri-Score zurückhaltend und betonte, man wolle eine Verbraucherbefragung durchführen und womöglich sogar ein eigenes Modell zur Nährwertkennzeichnung entwickeln.

Frau Klöckner betont immer wieder, wie wichtig ihr Politik auf Basis von Wissenschaft und Fakten ist. Gleichzeitig hält sie eine wissenschaftliche Studie geheim, deren Ergebnis ihr offenbar nicht genehm ist. Nur durch Offenlegung der wissenschaftlichen Beratungsgrundlagen kann die Öffentlichkeit die sachlichen Gründe von politischen Entscheidungen nachvollziehen.
Matthias Wolfschmidt Internationaler Kampagnendirektor

Anträge auf Informationsfreiheitsgesetz gescheitert

foodwatch hatte auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) mehrfach die Herausgabe der wissenschaftlichen Originalstudie verlangt. Frau Klöckners Ministerium hatte zuletzt Anfang dieses Monats die Herausgabe unter Bezugnahme auf verschiedene Bestimmungen des IFG abgelehnt, welche das gemeinsame Überlegen, Besprechen bzw. Beratschlagen zu treffender Entscheidungen unter den Schutz der Vertraulichkeit stellen.

Dieser Schutz gilt laut foodwatch jedoch nicht für die Beratungsgrundlagen, wie Sachinformationen und gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld oder für den Beratungsgegenstand und das Beratungsergebnis. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung im Jahr 2012 klargestellt (BVerwG, NVwZ 2012, 1619). Bei dem MRI-Bericht handelt es deshalb allenfalls um eine solche Beratungsgrundlage, die somit herauszugeben ist. 

Nutri-Score nachweislich die wirksamste Ampel

Im Supermarkt können Verbraucherinnen und Verbraucher nicht auf einen Blick erkennen, wie ausgewogen ein Lebensmittel ist. Denn die Nährwerttabellen mit Angaben zu Zucker, Fett, Salz oder Kohlenhydraten finden sich in der Regel im Kleingedruckten auf der Rückseite der Verpackung. Für den Laien sind sie kaum verständlich. Die Nährwertqualität verschiedener Produkte lässt sich so nur schwer miteinander vergleichen. 

Nicht nur foodwatch, sondern auch Ärzteverbände, Krankenkassen und Verbraucherorganisationen in vielen europäischen Ländern fordern schon seit langem verbindliche Maßnahmen gegen Fehlernährung und Übergewicht – eine verständliche Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben ist dabei ein wichtiger Baustein. Der Großteil der Lebensmittelindustrie hingegen bekämpft eine solche Kennzeichnung hingegen seit seit vielen Jahren.

Wissenschaftliche Studien belegen, dass der Nutri-Score die verständlichste Form der Nährwertkennzeichnung ist. Er hilft Verbraucherinnen und Verbrauchern dabei, gesündere Kaufentscheidungen zu treffen. Die Nutri-Score-Ampel wird bereits in Frankreich und Belgien verwendet, Spanien und die Schweiz haben ihre Einführung angekündigt. Das Modell nimmt eine Gesamtbewertung der Nährwertzusammensetzung eines Produktes vor, indem es ernährungsphysiologisch günstige und ungünstige Nährwertbestandteile miteinander verrechnet und auf einer von grün nach rot abgestuften Farbskala einordnet. Mit dem Nutri-Score lassen sich so die Nährwerte verschiedener Lebensmittel wie Tiefkühlpizzen, Frühstücksflocken oder Fruchtjoghurts auf einen Blick vergleichen.