Nachricht 09.07.2019

Julia Klöckner lässt Gastro-Lobby abblitzen

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Der Lobbyverband der Hotels und Gaststätten (DEHOGA) wollte die Online-Plattform „Topf Secret“ von Bundesernährungsministerium verbieten lassen. Dessen Chefin Julia Klöckner erteilte der Bitte jedoch eine Abfuhr.

Der Gastro-Lobbyverband DEHOGA hat Ernährungsministerin Julia Klöckner in einem Schreiben aufgefordert, die Online-Plattform „Topf Secret“ „kurzfristig zu prüfen“ und zu „unterbinden“. Die Ministerin lehnte die Aufforderung jedoch ab:  In einer internen Stellungnahme zum Schriftwechsel, den foodwatch veröffentlicht hat, bewertet das Ministerium die Online-Plattform nicht nur als „rechtlich zulässig“ – es sei sogar zu „begrüßen“, dass „Verbraucher und Verbraucherinnen von ihrem Auskunftsanspruch infolge der Aktion verstärkt Gebrauch machen“.

Das ist eine schallende Ohrfeige für die Gastro-Lobby: Klöckners Ministerium lässt die Lobbyisten nicht nur abblitzen, sondern begrüßt ausdrücklich unsere Online-Plattform.
Oliver Huizinga Leiter Recherche & Kampagnen

Derzeit wird in Deutschland nur ein Bruchteil der Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen aktiv durch die Behörden veröffentlicht. Unter www.topf-secret.foodwatch.de ist es für Bürgerinnen und Bürger jedoch seit Anfang des Jahres möglich, über das bundesweit gültige Verbraucherinformationsgesetz (VIG) an amtliche Kontrollergebnisse zu gelangen - auch an solche, die die Behörden bislang geheim halten. Zudem können Verbraucherinnen und Verbraucher die Ergebnisse auf der Plattform veröffentlichen. Seit Januar wurden rund 30.000 solcher VIG-Anfragen verschickt, weit mehr als je zuvor. Der Großteil der etwa 400 in Deutschland zuständigen Behörden gewährt den Bürgerinnen und Bürgern die beantragten Informationen. 

DEHOGA forciert Klagewelle

Der DEHOGA ermutigt seine Mitglieder jedoch, Klagen gegen auskunftsbereite Behörden anzustrengen und hat dazu ein „Argumentationspapier“ bereitgestellt. Darin behauptet der Verband, die Herausgabe der Kontrollberichte sei „rechtswidrig“. Die Auskunft könne „nicht aufgrund der Regelungen des Verbraucherinformationsgesetzes gewährt werden“. Mittlerweile laufen hunderte Verfahren bei deutschen Verwaltungsgerichten. Bisher haben zwei Gerichte im sogenannten Hauptsacheverfahren ein Urteil gefällt: Das VG Augsburg hat Klagen zweier Lebensmittelbetriebe abgewiesen. Das VG Ansbach entschied hingegen zugunsten eines Hotelbetriebs, der die Herausgabe der Informationen verhindern wollte. Fünf weitere Verwaltungsgerichte haben den Informationsanspruch der Bürgerinnen und Bürger schon im sogenannten Eilverfahren bestätigt – und folgen somit der Auffassung des VG Augsburg. In zahlreichen weiteren Verfahren stehen die Entscheidungen noch aus. 

foodwatch fordert Smiley-System

foodwatch und FragDenStaat fordern für Deutschland ein Transparenz-System nach dänischem Vorbild. In Dänemark erfahren Verbraucherinnen und Verbraucher direkt an der Ladentür und im Internet anhand von Smiley-Symbolen, wie es um die Sauberkeit in den Lebensmittelbetrieben bestellt ist. Wenige Jahre nach Einführung des Smiley-Systems im Jahr 2002 hat sich die Quote der beanstandeten Betriebe halbiert – von 30 auf rund 15 Prozent. Ähnliche erfolgreiche Transparenzmodelle gibt es in Norwegen und Wales. In Deutschland bleibt die Beanstandungsquote seit Jahren konstant bei etwa 25 Prozent.