Nachricht 19.09.2022

Mehr als 300 Kinderärzt:innen gegen Junkfood-Werbung

Kinder- und Jugendärzt:innen sehen die Auswirkungen ungesunder Ernährung jeden Tag in ihren Praxen. 334 von Ihnen haben Bundesernährungsminister Cem Özdemir jetzt mit einem Appell aufgefordert, das Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel endlich zu beschränken.

Ungesunde Ernährung ist eine der Hauptursachen für Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. Zwei Jahre Corona Pandemie haben die Situation nochmal verschlimmert. Junge Menschen essen mehr als doppelt so viel Süßigkeiten und nicht mal halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Trotzdem setzt die Junkfood-Industrie auf aggressive Marketingpraktiken, um überzuckerte und fettige Lebensmittel an junge Menschen zu bewerben.

Mit millionenschweren Werbe-Etats vermarktet die Lebensmittelindustrie vor allem ungesunde Produkte, denn die bringen am meisten Profit.
Luise Molling, Campaignerin

Werbepause ab 6 Uhr morgens

Mehr als 300 Kinder- und Jugendärzt:innen haben den Appell unterzeichnet, den der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), foodwatch und die Deutsche Allianz für Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt haben. Zentrale Forderung der Mediziner:innen ist eine Werbepause für ungesunde Lebensmittel im TV, Internet und Radio zwischen 6 und 23 Uhr. Ungesunde Produkte sollen zudem grundsätzlich nicht mehr direkt an Kinder beworben werden dürfen, etwa mit Comicfiguren oder Spielzeugbeigaben. Ob ein Lebensmittel gesund oder ungesund ist, lässt sich anhand der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu diesem Zweck entwickelten Nährwertprofile bewerten.

Ein Gesetz noch in diesem Jahr

Obwohl die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag Maßnahmen gegen Junkfood-Marketing angekündigt haben, hat Minister Cem Özdemir (Grüne) knapp ein Jahr nach der Bundestagswahl noch kein Gesetz eingebracht. Deshalb ruft der Appell dazu auf, noch in diesem Jahr eine Regulierung für wirksame Werbebeschränkungen auf den Weg zu bringen.

Eine Milliarde Euro für Werbung

Allein die Süßwarenindustrie hat 2021 eine Milliarde Euro für Werbung ausgegeben – so viel wie in keinem anderen Jahr zuvor. Laut einer Studie der Universität Hamburg sieht jedes Kind zwischen drei und 13 Jahren pro Tag im Schnitt 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel. 92 Prozent der gesamten Werbung, die Kinder wahrnehmen, vermarktet Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten.

Fehlernährung so tödlich wie Rauchen 

Aktuell sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen. Erste Untersuchungen belegen, dass sich die Lage seit Beginn der Corona-Pandemie verschärft hat. Jedes sechste Kind in Deutschland ist in den letzten 2 Jahren dicker geworden, fast die Hälfte bewegt sich weniger als zuvor, etwa ein Viertel isst mehr Süßigkeiten. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Eltern-Umfrage, die die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) und das Else Kröner-Fresenius-Zentrum (EKFZ) für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München durchgeführt haben. Den betroffenen Kindern drohen im späteren Lebensverlauf Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder siebte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der OECD auf ungesunde Ernährung zurückzuführen. Fehlernährung ist damit etwa genauso tödlich wie das Rauchen.