Wirtschaftliche Effekte

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Mehr Wohlstand, mehr Jobs, mehr Einkommen: TTIP-Befürworter malen eine rosige Zukunft. Doch die Studien geben dafür wenig Anlass: Werden wirtschaftliche Impulse prognostiziert, fallen diese eher mager aus – oder es drohen sogar negative Effekte. Fest steht: Wer mehr Wohlstand durch TTIP verspricht, handelt mit ungedeckten Schecks.

Solange nicht bekannt ist, wie ein mögliches Abkommen aussieht und welche Handelshemmnisse und Kostenfaktoren tatsächlich abgebaut werden, sind alle Versprechen über zusätzliches Wachstum wenig seriös. Es gibt eine Reihe von Studien, die unter bestimmten Annahmen zu einer Abschätzung der Wachstumspotenziale kommen. Doch welche Studie auch von Seiten der TTIP-Befürworter herangezogen wird: Übermäßig positive wirtschaftliche Effekte sagen sie nicht voraus – dafür aber auch negative Effekte.

Übersicht über TTIP-Potenzialstudien

Das Münchener ifo-Institut sagt in seiner Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung im besten Falle, also bei einem möglichst weitreichenden Abkommen, eine Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens von 4,7 Prozent für Deutschland vorher. Gemeint ist: Im Durchschnitt hätte eine Person in Deutschland zehn Jahre nach Inkrafttreten eines so ambitionierten TTIP ein um 4,7 Prozent höheres Einkommen als ohne einen solchen TTIP-Vertrag. Das trifft nach Ansicht der ifo-Forscher jedoch nur dann ein, wenn tiefgreifend Handelshemmnisse abgebaut werden – also zum Beispiel auch bisher unterschiedliche Umweltschutzstandards oder Verbraucherkennzeichnungen. Es handelt sich um ein als unrealistisch kritisiertes, praktisch ausgeschlossenes Szenario.

Doch selbst wenn sich die Verhandlungspartner darauf verständigen würden: 4,7 Prozent mehr bedeuten für einen Menschen mit einem Durchschnittseinkommen von 2.500 Euro im Monat, dass er mit TTIP 117,50 Euro mehr in der Tasche hätte als ohne TTIP – dem gegenüber stehen allerdings erhebliche Risiken und negative Effekte gegenüber. Erheblich wahrscheinlicher ist zudem ein weniger tiefgreifendes Abkommen. Die schlankeste Variante – der alleinige Abbau von Zöllen – würde die Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland nach den Annahmen des ifo-Instituts lediglich um 0,24 Prozent anheben. Für den Durchschnittsverdiener wären das 6 Euro mehr im Monat.

Eine weitere Potenzialstudie, durchgeführt vom Centre for Economic Policy Research (CEPR) im Auftrag der Europäischen Kommission, erwartet eine einmalige Niveauanhebung des Bruttoinlandprodukts in der EU um 0,5 Prozent. Diese soll zehn Jahre nach Inkrafttreten eines Abkommens (in der Studie angenommen im Jahr 2017) eintreten – ebenfalls unter der Voraussetzung eines ambitionierten Abkommens. Das Einkommensniveau einer durchschnittlichen vierköpfigen Familie würde sich dadurch um 545 Euro pro Jahr – also gut 11 Euro pro Kopf und Monat – erhöhen.

Einen Feiertag abschaffen würde mehr bringen

Zur Einordnung dieser Zahlen lohnt die Kommentierung des mittelständischen Unternehmerverbandes AMA: Was sich zunächst „nach einem ordentlichen Wachstumsschub“ anhöre, so schreibt der Verband, „wäre aber tatsächlich nur eine Steigerung des Bruttoinlandproduktes (BIP) von 0,5 Prozent in zehn Jahren bzw. 0,05 Prozent pro Jahr. Damit relativiert sich der vermutete Impuls enorm. Zum Vergleich, der Effekt eines einzigen Arbeitstages mehr pro Jahr steigert das BIP um ca. 0,4 Prozent.

Auch negative Effekte durch TTIP möglich

Es gibt allerdings auch Wissenschaftler, die sogar von negativen Effekte ausgehen. US-Forscher der Tufts-Universität in der Nähe von Boston rechnen in ihrer Studie im Ergebnis mit weniger Wachstum, weniger Jobs und weniger Einkommen: 134.000 Arbeitsplätze könnten allein in Deutschland verloren gehen, 600.000 in der EU, so die Prognose. Demnach hätten ein Arbeitnehmer in Deutschland nicht mehr, sondern jährlich 3.400 Euro weniger in der Tasche.

Ungedeckte Schecks

Ein genauer Blick auf die Studienlage zeigt also: Wer, um die vermeintliche Notwendigkeit von TTIP zu begründen, positive wirtschaftliche Effekte als gegeben verspricht, der tut vor allem eines: Er stellt ungedeckte Schecks aus. 

Das hält die führenden Politiker in Deutschland, EU und USA nicht davon ab, genauso für ein Abkommen zu werben und die wirtschaftlichen Effekte von TTIP in den rosigsten Farben zu malen. Im September 2014 schrieb das Bundeskanzleramt in einem Brief an foodwatch:

„Ein transatlantisches Freihandelsabkommen kann nach zahlreichen Studien einen erheblichen Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung in der EU und auch in Deutschland leisten.“

Irgendwelche Zweifel an dieser Prognose werden in dem Schreiben nicht formuliert. Dabei bieten auch bereits in Kraft getretene Freihandelsabkommen wie NAFTA, 1994 zwischen den USA, Kanada und Mexiko vereinbart, ausreichend Anlass zu Skepsis: So haben Berechnungen im Vorfeld zum Beispiel für Mexiko deutlich positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte vorausgesagt – viele Jahre nach Inkrafttreten von NAFTA gehen Studien sogar davon aus, dass sich das Abkommen für Mexiko negativ ausgewirkt hat.

Verbraucherrechte werden eingeschränkt

Doch selbst wenn die optimistischsten Vorhersagen einträfen, sollte man sich vor Augen halten, dass die Wachstumseffekte durch den Abbau von Handelshemmnissen erreicht würden – und zu den Handelshemmnissen zählen auch Verbraucherrechte (zum Beispiel Informationsrechte durch Kennzeichnungsvorgaben) oder Umweltschutzvorgaben. Denn TTIP soll Kosten für den Handel reduzieren – Verbraucherrechte stellen jedoch meistens einen Kostenfaktor dar. Die Frage stellt sich also: Rechtfertigt die Aussicht auf bestenfalls dürftige wirtschaftliche Impulse einen massiven Eingriff in Bürgerrechte, demokratische Gesetzgebungsverfahren und Rechtsstaatlichkeit?

Entwicklungsländer sind Verlierer des Freihandelabkommens

Hinzu kommt, dass auch den optimistischsten Szenarien negative Effekte gegenüber gestellt werden müssen – diese kommen in den öffentlichen Aussagen von Politikern und Wirtschaftsverbänden praktisch nicht vor, obwohl sie zum Teil in denselben Studien analysiert wurden. In besonderem Maße wären davon ausgerechnet Entwicklungsländer betroffen. Mit anderen Worten: Wenn TTIP Europäern und US-Amerikanern bzw. deren Konzernen mehr Wohlstand bringt, dann geht dies auf Kosten der Menschen in den ärmsten Ländern der Welt.