Das Prinzip Koexistenz: Gentechnikfreie Landwirtschaft – bald Vergangenheit?

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In Europa setzt die Politik auf Koexistenz: das Nebeneinander genveränderter Pflanzen und herkömmlicher Züchtungen auf den Äckern. Doch Verunreinigungen lassen sich nicht vermeiden, Koexistenz entpuppt sich als Illusion – die zum Ende gentechnikfreier Landwirtschaft führen könnte.

Grundsätzlich ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in allen EU-Staaten rechtlich möglich. Voraussetzung ist eine Saatgutverkehrsgenehmigung – bislang hat nur eine einzige Maissorte die Zulassung für den kommerziellen Lebensmittel-Anbau in Europa erhalten: die Monsanto-Entwicklung MON810. Angebaut wird sie in Deutschland derzeit jedoch nicht – wegen Sicherheitsbedenken verhängte die Bundesregierung 2009 ein nationales Anbauverbot.

Deutschland seit 2009 nahezu gentechnikfrei

Weil mangels Akzeptanz in der Bevölkerung zudem BASF seine transgene Kartoffelsorte Amflora, die der Produktion von Industriestärke diente, zurückgezogen hat, sind die Felder in Deutschland derzeit gentechnikfrei, von Versuchsanbauten abgesehen. Noch 2008 wurde genveränderter Mais auf insgesamt 3.171 Hektar in Deutschland angebaut, ein Großteil der Flächen lag in Brandenburg. Es gibt nur wenige EU-Länder, in denen die Situation anders aussieht: Heraus sticht vor allem Spanien, wo Landwirte genveränderten Mais im Jahr 2012 auf mehr als 116.000 Hektar ernteten.

Verunreinigungen lassen sich nicht vermeiden

Das große Problem des Anbaus gentechnisch veränderter Sorten: Verunreinigungen anderer Felder lassen sich praktisch nicht vermeiden. Wind und Insekten tragen die Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen auch auf gentechnikfreie Felder. Zwar sollen Mindestabstände zwischen den Äckern für Schutz sorgen – doch selbst die größten Abstände können nicht umfassend vor einer Kontamination schützen. Das machen schon allein die Bienen unmöglich, die 70 Prozent aller Blütenpflanzen bestäuben. Sie entfernen sich bei der Suche nach Blüten bis zu zehn Kilometer weit von ihrem Bienenstock. Ein künstlich geschaffener Abstand kann sie nicht davon abhalten, den Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen zu verbreiten.

Illusion der Koexistenz

Ob es ein Nebeneinander von Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik auf Dauer geben kann, ist daher höchst fragwürdig. Sind gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einmal in der Welt, hat es gentechnikfreie Landwirtschaft langfristig sehr schwer. Das zeigt der Blick nach Kanada, wo gentechnisch veränderter Raps bereits flächendeckend angebaut wird und GVO-freier Raps kaum noch erhältlich ist.

Die Verbreitung von Agrar-Gentechnik könnte so das Ende der persönlichen Entscheidungsfreiheit bedeuten. Denn wenn es keine Alternativen mehr gibt, werden Verbraucher derart zwangsweise zu Konsumenten gentechnisch veränderter Lebensmittel. Deshalb fordert foodwatch: Solange es keinen wirklich sicheren Schutz vor der ungewollten Ausbreitung genveränderten Materials gibt, darf der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nicht zugelassen werden.