Nachricht 12.08.2022

Kinder-Überzuckerungstag: Cem Özdemir muss Junkfood-Werbung beschränken

foodwatch hat mit Blick auf den heutigen „Kinder-Überzuckerungstag“ Bundesernährungsminister Cem Özdemir aufgefordert, Kinder vor Junkfood-Werbung zu schützen.

Am heutigen „Kinder-Überzuckerungstag“ hat foodwatch mit einer Protestaktion den Bundesernährungsminister Cem Özdemir aufgefordert, Kinder vor Junkfood-Werbung zu schützen. Rechnerisch haben Kinder und Jugendliche in Deutschland heute bereits so viel Zucker konsumiert, wie sie laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) maximal im ganzen Jahr zu sich nehmen sollten.

„Während Lebensmittelunternehmen saftige Profite einstreichen, sind die Folgen ungesunder Ernährung für Kinder und Jugendliche fatal: Übergewicht, Adipositas und im Erwachsenenalter Typ-2-Diabetes und Herzerkrankungen.“
Saskia Reinbeck Kampagnen und Recherchen

Gesetzliche Regelung von Kindermarketing notwendig

Eine wichtige Ursache ist das Kindermarketing: Die Lebensmittelindustrie wirbt mit beliebten Social-Media-Influencern, Comic-Figuren und TV-Spots vor allem für ungesunde Zucker- und Fettbomben. Die Folge: Kinder und Jugendliche essen viel zu viel Süßes und viel zu wenig Obst und Gemüse. Mit der Protestaktion vor dem Bundesernährungsministerium in Berlin fordern foodwatch-Aktivist:innen ein Gesetz, das Werbung an Kinder nur noch für ausgewogene Lebensmittel erlaubt. Werbung für ungesunde Lebensmittel soll in TV und Internet grundsätzlich nur noch zwischen 23 und 6 Uhr gesendet werden dürfen

„Bundesernährungsminister Cem Özdemir muss seinen Versprechungen endlich Taten folgen lassen und die Zuckerflut stoppen: Speziell an Kinder gerichtetes Marketing für Junkfood muss verboten werden."
Saskia Reinbeck

Zu hoher Zuckerkonsum bei Kindern und Jugendlichen

Kinder und Jugendliche in Deutschland essen deutlich mehr Zucker als von Fachorganisationen wie etwa der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) empfohlen wird. Den Organisationen zufolge sollten Minderjährige maximal zehn Prozent der täglichen Kalorien durch sogenannte freie Zucker aufnehmen. Tatsächlich aber nehmen Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren in Deutschland 16,3 Prozent ihrer Tagesenergie aus freien Zuckern auf – also 63 Prozent mehr als empfohlen. Umgerechnet erreichen die jungen Menschen damit schon am 224. Tag im Jahr, dem 12. August, ihr Zucker-Limit für ein ganzes Jahr.

Konkret bedeutet das: Mädchen essen im Durchschnitt mehr als 60 Gramm freie Zucker pro Tag, obwohl sie maximal 38 Gramm zu sich nehmen sollten. Jungen essen im Schnitt mehr als 70 Gramm freie Zucker pro Tag, obwohl sie nicht mehr als 44 Gramm verzehren sollten.

In ihrem Koalitionsvertrag haben die Ampel-Parteien versprochen, die an Kinder gerichtete Werbung für Ungesundes beschränken zu wollen. Einen Gesetzentwurf hat die Bundesregierung jedoch bislang noch nicht eingebracht.

Hintergrund

Als freie Zucker werden alle Zuckerarten bezeichnet, die zum Beispiel Lebensmittelhersteller ihren Produkten zusetzen, sowie der in Honig, Sirup, Fruchtsaftkonzentraten und Fruchtsäften natürlich enthaltene Zucker. Natürlicherweise in Früchten oder Milchprodukten vorkommender Zucker fällt nicht darunter.

Aktuell gelten etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen als übergewichtig und sechs Prozent sogar als stark übergwichtig (bzw. adipös)– ihnen drohen im späteren Lebensverlauf Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. 14% aller Todesfälle in Deutschland ist laut Daten der OECD auf ungesunde Ernährung zurück zu führen. Fehlernährung ist damit in etwa so tödlich wie Rauchen.

Grundlage für die Berechnung des „Kinder-Überzuckerungstags“ sind Daten aus der sogenannten DONALD-Studie aus dem Jahr 2016, die das Ernährungsverhalten von mehr als 1.000 Kindern und Jugendlichen untersucht hat. Neuere Zahlen liefert lediglich die Studie „Eskimo II“, allerdings mit Blick auf eine andere Altersgruppe (6 bis 17 Jahren). Laut dieser Studie liegt der Zuckeranteil an der täglichen Kalorienaufnahme sogar bei 20 Prozent. Dann wäre das Zucker-Limit sogar schon am 1. Juli erreicht gewesen.