Nachricht 27.06.2011

Offener Brief von foodwatch an den Lobbyverband der Lebensmittelindustrie: „Vertrauen gewinnen Sie nicht mit Imagekampagnen“

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Systematische Irreführung der Verbraucher, hartnäckige Weigerung gegen mehr Transparenz, falsche Solidarität mit den Dioxinpanschern sowie millionenschwere PR- Kampagnen anstatt die Sorgen der Verbraucher wirklich ernst zu nehmen.  Mit dieser Strategie, so die Verbraucherorganisation foodwatch in einem von den Geschäftsführern Thilo Bode und Matthias Wolfschmidt unterzeichneten Schreiben, würde sich die Branche letztlich selber schädigen. foodwatch sei zu einem Dialog mit der Branche bereit, da das gemeinsame Ziel von Verbrauchern und Unternehmen ein transparenter Lebensmittelmarkt sein müsse, der die Verbraucher mit sicheren und guten Lebensmitteln versorgt.

Mit dem Brief reagiert foodwatch auf eine Rede von Werner Wolf, Präsident des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), im April dieses Jahres. Anlässlich der Jahrestagung des Lobbyverbandes hatte Wolf das schlechte Image der Lebensmittelbranche mit dem zu geringen Wissen der Bürger über Lebensmittel und die Lebensmittelproduktion begründet und eine groß angelegte Kommunikationsoffensive angekündigt. Dazu foodwatch in dem Brief: „Sie werden die Situation für ihre Branche nicht verbessern, indem Sie versuchen, mehr Geld für mediengerechte Kommunikation auszugeben, sondern nur dadurch, dass Sie das Vertrauen der Verbraucher wiedergewinnen. Das wird Ihnen gelingen, wenn Sie dem Bedürfnis nach Transparenz und einem Qualitätswettbewerb entgegen kommen.“

Bisher wehrt sich die Lebensmittebranche vehement gegen jeden Schritt in Richtung mehr Transparenz, ob Lebensmittel-Ampel oder Hygiene-Smiley. Dabei fordern 93 Prozent der Bürger, die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen mit dem Smiley zu veröffentlichen. „Wen wollen Sie denn schützen? Etwa jene Betriebe, die durch mangelnde Hygiene Kosten sparen und sich so Wettbewerbsvorteile (…) verschaffen?“ fragen Bode und Wolfschmidt in dem Schreiben. Die Lebensmittel-Ampel, die 70 Prozent der Bürger wollen, hat die Ernährungswirtschaft mit einer großen Kampagne verhindert.

In seiner Rede hatte der BLL-Präsident erstmalig anerkannt, dass es das Problem der „legalen Täuschung“ gibt: „Es sind aber durchaus einzelne Fälle denkbar, in denen der Verbraucher trotz Rechtskonformität das Produkt möglicherweise nicht richtig einordnet, in denen er gegebenenfalls getäuscht werden kann“. Den Begriff der „legalen Täuschung“ hatte foodwatch geprägt für Fälle, bei denen Unternehmen die Verbraucher unter Ausnutzung gesetzlicher Lücken durch irreführende Werbung täuschen. Dies sei aber keine Ausnahme, sondern an der Tagesordnung, so foodwatch. Es führe dazu, dass Verbraucher Qualität nicht am Preis erkennen können. Ergebnis sei ein Preiswettbewerb, mit dem sich die Unternehmen langfristig selbst schaden. „Die Lobbyaktivitäten Ihrer Branche, die den Wunsch der Verbraucher nach Transparenz – sei es Smiley, sei es Ampel, seien es Verbraucherinformationsrechte – abzuwehren versuchen, sind daher im Grunde Selbstschädigung“, so Bode und Wolfschmidt in dem Schreiben.

Auch auf die Gründe für die Preissteigerungen im Lebensmittelbereich geht foodwatch in dem Schreiben ein. Ein wesentlicher Grund dafür sei die Nutzung von Ackerfläche für die Biosprit-Produktion. Als Konsequenz aus dem Dioxinskandal fordert foodwatch die Lebensmittelbranche zudem auf, sich der Forderung nach einer umfassenden Testpflicht für Futtermittel anzuschließen.

foodwatch bot dem BLL an, in einen Dialog zu treten. Denn Verbraucher und Hersteller müssten doch das gleiche Ziel haben: Lebensmittel, deren Qualität und Sicherheit für jedermann verlässlich und nachvollziehbar sind, so Bode und Wolfschmidt.