Pressemitteilung 27.09.2019

Online-Plattform „Topf Secret“: foodwatch und FragDenStaat verklagen Land Berlin auf Herausgabe von Hygiene-Kontrollergebnissen

Die Verbraucherorganisation foodwatch und die Transparenz-Initiative FragDenStaat haben eine Klage gegen das Land Berlin auf den Weg gebracht. Mehrere Bezirke lehnen die Herausgabe von Hygiene-Kontrollergebnissen über die Online-Plattform „Topf Secret“ kategorisch ab. Die Betreiber von „Topf Secret“, foodwatch und FragDenStaat, bezeichneten das Vorgehen der Bezirke als rechtswidrig. Die Behörden dürften den Anspruch der Bürgerinnen und Bürger nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) nicht untergraben. 

Im konkreten Fall hatte FragDenStaat die Ergebnisse der beiden letzten amtlichen Kontrollen bei einem Rewe-Markt in Berlin-Spandau angefragt, von dem zuständigen Bezirksamt jedoch eine Ablehnung erhalten. Die Antragsstellung sei „missbräuchlich“, weil die Kontrollberichte auf „Topf Secret“ veröffentlicht werden könnten, erklärte die Behörde. Zudem äußerte sie verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Informationsherausgabe. Mit einer ähnlichen Begründung hat auch das Bezirksamt Neukölln alle dortigen Anträge abgelehnt. 

Derzeit wird in Deutschland nur ein Bruchteil der Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen von Restaurants, Bäckereien und anderen Lebensmittelbetrieben aktiv durch die Behörden veröffentlicht. Auf www.topf-secret.foodwatch.de ist es für Bürgerinnen und Bürger jedoch seit Anfang des Jahres möglich, auf Grundlage des VIG amtliche Kontrollergebnisse abzufragen – auch solche, die die Behörden bislang geheim halten. Zudem können Verbraucherinnen und Verbraucher die Ergebnisse auf der Plattform veröffentlichen. Bundesweit wurden über „Topf Secret“ bislang mehr als 37.000 Anträge gestellt. Alleine in Berlin sind es rund 3.000, in Neukölln knapp 200, in Spandau 150.

„Die Menschen haben das Recht zu erfahren, welche Lebensmittelbetriebe sauber sind und welche nicht. Das hat nicht zuletzt das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts klargestellt. Die Spandauer Behörde darf sich nicht einfach so über bundesweit geltende Gesetze stellen und die Bürgeranfragen kategorisch ablehnen. Deshalb klagen wir jetzt in einem Musterfall – mit Signalwirkung für ganz Berlin“, erklärte Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch. 

Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht urteilte Ende des vergangenen Monats zugunsten eines Antragstellers, der Informationen zu Verstößen gegen Lebensmittelgesetze von einem Wiesenhof-Tochterunternehmen beantragt hatte. Wiesenhof argumentierte in dem Fall praktisch identisch wie Berlin-Spandau: Aufgrund der Veröffentlichungsabsicht des Verbrauchers sei der Antrag „missbräuchlich“ gestellt worden – zudem bestünden verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den Informationsanspruch. Dazu sagte der vorsitzende Richter in der Verhandlung: „Auch wenn man die Information, die man bekommt, nutzt, um sie an Organisationen weiter zu geben, dann ist das kein Rechtsmissbrauch.“ Es sei das, was der Gesetzgeber mitgedacht und „sogar gewollt“ habe. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Informationsanspruch nach dem VIG hatte das Bundesverwaltungsgericht nicht. 

„Die meisten in Lebensmittelbehörden in Deutschland respektieren das Informationsrecht der Menschen und geben die Informationen heraus. Spandau hingegen tritt die Bürgerrechte mit Füßen. Damit muss Schluss sein: Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank muss dafür sorgen, dass seine Behörde sich an geltendes Recht hält und die beantragten Infos herausgibt“, forderte Arne Semsrott, Projektleiter bei FragDenStaat.

Während Spandau und Neukölln Anträge über „Topf Secret“ kategorisch ablehnen, halten die meisten anderen Berliner Bezirke die Füße still und entscheiden bislang nicht über die Anträge. foodwatch und FragDenStaat kritisierten diese Verwaltungspraxis als rechtswidrig. Mit ihrer Blockadehaltung widersetzen sich die Bezirksämter zudem wiederholten Empfehlungen der Berliner Landesregierung. Das geht aus internen Schriftwechseln hervor, die foodwatch und FragDenStaat kürzlich veröffentlicht haben. Die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz hatte den Ämtern seit Februar dieses Jahres bereits mehrmals empfohlen, Anträge über „Topf Secret“ zu beantworten und diese als „grundsätzlich zulässig“ bewertet. Dennoch haben die Berliner Bezirke nach Kenntnisstand von foodwatch bis heute so gut wie keine einzige Bürgeranfrage rechtskonform beantwortet.