Nachricht 28.03.2012

Radeberger schweigt, die Bier-Lobby spricht

foodwatch hat Radeberger unter anderem gefragt, welche Bevölkerungsgruppen die Brauerei mit „alkoholfreiem“ Bier ansprechen wolle. Stellvertretend für Deutschlands-Bier-Marktführer antwortet der Deutsche Brauer-Bund Folgendes:

"Die deutsche Brauwirtschaft spricht ebenso wie mit Bier alle Bevölkerungsgruppen an, angefangen bei den jungen Erwachsenen bis hin zu den Senioren, allerdings mit dem Unterschied, dass alkoholfreies Bier sich an diejenigen richtet, die auf den Genuss eines klassischen Vollbieres nicht verzichten, gleichwohl kein alkoholhaltiges trinken wollen."


Wer hätte das gedacht? Alkoholfreies Bier soll Menschen ansprechen, die gerne Bier, doch kein alkoholhaltiges trinken wollen. Genial! Nur gibt es einen Haken: „Alkoholfreies Bier“ enthält Alkohol – von Bitburger 0,0 % mal abgesehen. Doch das möchte der Deutsche Brauer-Bund gerne auch weiterhin auf dem Etikett verschweigen. Unter anderem mit folgendem Argument:

Vielen Lebensmitteln ist gemein, dass bei ihnen eine Gärung stattfindet, wobei Ethanol und Kohlendioxid entstehen. Ebenso werden Spuren von Alkohol auch als Trägersubstanz bei der Herstellung von Aromen verwendet.

Als Beispiele hierfür werden Essig, Kefir oder Apfelsaft genannt. Das erinnert doch stark an Kindergarten-Argumentation à la „Die anderen machen es doch auch.“ Zunächst einmal: Kefir oder Essig werden nicht explizit als „alkoholfrei“ beworben – im Gegensatz zu den in Wahrheit alkoholarmen Bieren wie Clausthaler Classic. Allein deshalb hinkt der Vergleich. Und davon abgesehen: Wer sagt denn, dass es bei anderen Lebensmitteln gut ist, wenn versteckter Alkohol enthalten ist? foodwatch findet: Wo „alkoholfrei“ drauf steht, darf auch kein Alkohol drin sein. Ganz einfach. Ein weiteres Argument, das der Deutsche Brauer-Bund im vierseitigen Schreiben an foodwatch anführt:

"Die von der Europäischen Kommission europaweit einheitlich geregelte Bezeichnung „...-frei“ bei Fett, Zucker oder Salz sehen das Vorhandensein geringer Restmengen ebenfalls als zulässig an." 

Klingt erst einmal überzeugend. Doch auch hier gibt es einen kleinen aber feinen Unterschied, den der Brauer-Bund unter den Tisch fallen lässt: Alkohol ist – im Gegensatz zu Fett, Zucker und Salz – ein Zellgift und kein Nährstoff. Außerdem sind die angeführten Nährstoffe künftig Pflichtangaben auf dem Etikett. Heißt: Selbst bei einem als „zuckerfrei“ deklarierten Produkt, muss der Zuckergehalt in Zukunft draufstehen. Beim „alkoholfreien“ Bier hingegen dürfen die Hersteller den Alkoholgehalt auf dem Etikett verschweigen. Daran möchte der Brauer-Bund offenbar auch nichts geändert wissen. Das zeigt sich insbesondere im Fazit:

"Die Verkehrsbezeichnung Alkoholfreies Bier steht im Einklang mit den Anforderungen der LMKV [Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung] sowie der allgemeinen Verkehrsauffassung. Eine Kennzeichnung des äußerst geringen Restalkoholgehalts ist daher für alkoholfreies Bier nicht erforderlich, da die Spuren von Alkohol im alkoholfreien Bier keine alkoholisierende Wirkung haben."

Lieber Brauer-Bund. Dass die Verkehrsbezeichnung im „Einklang“ mit geltendem Recht ist, hat niemand bezweifelt. Doch legal ist längst nicht legitim. Wenn berechtigtes Verbraucherinteresse an einer Produktinformation besteht – wie am Alkoholgehalt eines als „alkoholfrei“ bezeichneten Bieres – dann ist es schlicht verbraucherfeindlich, solange wie nur möglich auf Gesetze und Paragraphen zu beharren. Wenn der sogenannte „Restalkohol“ Ihrer Meinung nach keinerlei Problem darstellt – das sehen Mediziner in Bezug auf Schwangere übrigens anders – warum schreiben Sie ihn dann nicht einfach aufs Etikett? Das sollte nun wirklich nicht das Problem sein.

Falls Sie das noch nicht überzeugt, lieber Brauer-Bund, zitieren wir an dieser Stelle gerne die Ergebnisse einer Verbraucherumfrage zu „alkoholfreiem Bier“, die die Warsteiner Brauerei im Jahre 2007 durchgeführt hat:

„Dem Großteil der Alkoholfrei-Trinker sind die echten 0,0% äußerst wichtig! 63,2% der Befragten sind der Meinung, dass Bier, das laut Etikett als alkoholfrei ausgewiesen ist, auch tatsächlich keinen Restalkohol enthalten sollte. Schließlich greifen sie zu dieser Alternative, weil sie in bestimmten Situationen absolut keinen Alkohol zu sich nehmen wollen. Umso verständlicher, dass sich 80,8% der Befragten durch die Bezeichnung ‚alkoholfrei‘ in die Irre geführt fühlen.Keine weiteren Fragen."