Unilevers Antwort auf die foodwatch-Anfrage
foodwatch hat Unilever im Vorfeld der ersten Kritik an Becel pro.activ angefragt. Unter anderem wollten wir wissen, weshalb die Verbraucher nicht auf mögliche Nebenwirkungen hingewiesen werden oder wie es um einen Nachweis für den gesundheitlichen Nutzen steht. Doch der Konzern verteidigt die eigene Linie mit verdrehten Tatsachen.
Auf die Frage, ob nachgewiesen wurde, dass eine durch Pflanzensterine bedingte Cholesterinsenkung auch das Risiko auf koronare Herzkrankheiten mindert, antwortet der Konzern:
„Die cholesterinsenkende Wirkung der Becel pro.activ Produkte ist in über 40 Studien belegt und unstrittig. Ebenso gilt in der wissenschaftlichen Meinung, dass eine LDL-Senkung grundsätzlich das Risiko für eine koronare Herzkrankheit (KHK) verringert, wobei es sich gezeigt hat, dass dieser Zusammenhang für alle Methoden der Cholesterinsenkung (…) relevant ist.“
Klingt überzeugend, ist aber wissenschaftlich alles andere als sauber. Denn Unilever suggeriert, man könne solche Effekte isoliert betrachten, was nicht stimmt. Beispiel gefällig? Der weltgrößte Pharma-Konzern Pfizer hat 2006 einem Cholesterin-Medikament namens Torcetrapib den Forschungsstopp erteilt, denn trotz erfolgreicher Senkung des „schlechten“ LDL-Cholesterins kam es zu vermehrten Todesfällen durch Herzkrankheiten. Das Beispiel zeigt: Es reicht nicht, lediglich Laborwerte wie Cholesterinsenkung zu untersuchen, um dadurch auf eine bessere Herzgesundheit zu schließen. Genau das versucht Unilever allerdings mit Becel pro.activ.
Auf die Frage, weshalb Unilever den Verbraucher nicht auf mögliche Risiken hinweist, die verschiedene Studien zu Pflanzensterinzusatz in Lebensmitteln zeigen, antwortet der Konzern:
„Tatsache ist, dass der Einsatz von pflanzensterinangereicherten Lebensmitteln für Menschen mit erhöhten CholesterinwertenBestandteil der Ernährungsempfehlungen der wichtigsten internationalen Fachgesellschaften ist. Zu nennen sind hier NCEP ATP III (National Cholesterol Education Program Adult Treatment Panel III), International Atherosclerosis Society (IAS), American Heart Association (AHA).”
Das mag sein, doch sind viele andere Fachgesellschaften da anderer Meinung, so z.B. die Deutsche Herzstiftung, die von Pflanzensterinen abrät. Auch die Leitlinien vom britischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) sprechen keine Empfehlung für Pflanzensterine aus, solange nicht bewiesen ist, dass durch diese Art der Cholesterinsenkung auch tatsächlich weniger koronare Herzkrankheiten auftreten. Pflanzensterine in Lebensmitteln sind höchst umstritten. Deswegen haben sie im Supermarkt nichts zu suchen!
Im weiteren Verlauf des Schreibens wird Unilever besonders dreist:
„Aktuell (Sommer 2011) haben die großen europäischen Fachgesellschaften für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – die europäischen Kardiologen Gesellschaft (ESC) und die europäischen Atherosklerose Gesellschaft (EAS) – eine gemeinsame Leitlinie für die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen veröffentlicht. Der Einsatz von Lebensmitteln mit Pflanzensterinen ist Bestandteil dieser wichtigsten europäischen Leitlinie.“
foodwatch hat sich diese Leitlinien (PDF) angesehen. Die Pflanzensterine sind Bestandteil, das stimmt. Doch auch dort heißt es:
„Currently there are no data available indicating that cholesterol lowering through plant sterol ingestion results in prevention of CVD. Longterm surveillance is also needed to guarantee the safety of the regular use of phytosterol-enriched products.”
Wir übersetzen: Aktuell gibt es keinen Beleg dafür, dass Cholesterinsenkung mithilfe von Pflanzensterinen präventiv gegen koronare Herzkrankheiten wirkt. Um die Sicherheit von Lebensmitteln mit Pflanzensterinzusatz bei regelmäßiger Einnahme zu garantieren, sind außerdem Langzeitstudien nötig.
Klingt im Original irgendwie anders, als in Unilevers Schreiben. Finden Sie nicht? Beschweren Sie sich jetzt direkt bei dem Konzern, der offenbar vor keiner Lüge zurückschreckt, um seine sündhaft teure Margarine mit fraglichem Nutzen und ungewissen Spätfolgen unters Volk zu bringen!