Nachricht 28.07.2015

Noch kein Urteil im Prozess um Becel pro.activ

Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg hat heute noch kein Urteil im Berufungsprozess um die cholesterinsenkende Margarine Becel pro.activ gefällt (Az 7 U 7/13). foodwatch hatte dem Hersteller Unilever vorgeworfen, die bekannten Hinweise auf mögliche Nebenwirkungen seines Produkts zu verschleiern und daher Klage gegen den Konzern eingereicht. Als Termin für die Urteilsverkündigung benannte das Gericht den 1. September 2015 (10.00 Uhr).

Fakt ist: Unilever kann weder den gesundheitlichen Nutzen noch die Sicherheit von Becel pro.activ belegen. Eine Reihe von Studien legt vielmehr nahe, dass die in hoher Konzentration der Margarine zugesetzten Pflanzensterine das verursachen könnten, was sie eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und damit ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten. Dennoch hatte Unilever unter Verwendung von Zitaten eines Wissenschaftlers im Jahr 2011 behauptet, dass es bei Becel pro.activ „aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis“ auf Nebenwirkungen gebe – eine Aussage, die nach Auffassung von foodwatch nachweislich falsch ist. Die Klage der Verbraucherorganisation zielt darauf ab, die Weiterverbreitung dieser Aussage zu verhindern.

Meinunsäußerung oder Tatsachenbehauptung?

Der Vorsitzende Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg betonte am Dienstag, dass die Aussage „in einer Werbeanzeige schon eine gefährliche Sache“ wäre – in einer Pressemitteilung jedoch eine zulässige Meinungsäußerung sein könnte. In der mündlichen Verhandlung ging es nicht um die Sicherheit des Produkts. Im Zentrum stand die Frage, ob es sich bei dem Zitat um eine reine Meinungsäußerung handelt oder um eine Tatsachenbehauptung, noch dazu eine EU-weit genehmigungspflichtige gesundheitsbezogene Werbeaussage. Dies ist keineswegs eine bloße juristische Spitzfindigkeit: Während eine Tatsachenbehauptung nur dann zulässig ist, wenn sie wahr ist, darf eine Meinung auch unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt verbreitet werden. In erster Instanz hatte das Landgericht Hamburg die Aussage als Meinung eingestuft und die Klage von foodwatch am 14. Dezember 2012 daher abgewiesen, ohne jedoch Unilevers Behauptung einem Faktencheck zu unterziehen (Az 324 O 64/12).

Das Oberlandesgericht legte sich Dienstag nicht endgültig fest, zeigte jedoch eine Tendenz, der Vorinstanz zu folgen. Dann dürfte Unilever weiterhin falsche Aussagen über die Sicherheit von Becel pro.activ verbreiten, weil diese als „Meinungsäußerung“ nicht belegt werden müssten. 

Wissenschaftler im Dienste von Konzernen

foodwatch befürchtet für den Fall eines solchen Urteils, dass das Unilever-Prinzip Schule machen könnte: Die Verbraucher können sich offenbar nicht darauf verlassen, dass ein Wissenschaftler im Dienste eines Konzerns bei Aussagen über die Sicherheit eines hoch umstrittenen Produktes auch die Wahrheit sagen muss – das ist fatal. Ein Unternehmen darf nicht nur der ‚Meinung‘ sein, dass sein Produkt sicher ist – es muss dies auch mit Fakten belegen können. Für die Verbraucher ist es schließlich egal, ob gesundheitsrelevante Aussagen auf Werbeplakaten oder in der Presse verbreitet werden.

Beleg für Sicherheit von Becel pro.activ fehlt bis heute

Weil ein Beleg für die Sicherheit von Becel pro.activ bis heute fehlt, forderte foodwatch Unilever auf, die Margarine vom Markt zu nehmen. Bei dem Produkt handele es sich um ein Quasi-Medikament – Unilever solle dafür eine Zulassung als Medikament beantragen, falls die erforderlichen Studien eines Tages Sicherheit und Nutzen belegen können.

Bundesinstitut warnte bereits vor Jahren

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte 2008 betont, dass der Verzehr von Lebensmitteln mit zugesetzten Pflanzensterinen von gesunden Menschen ohne Cholesterinproblem „ausdrücklich vermieden werden sollte“ und dies mit möglichen Gesundheitsrisiken begründet. Die französische Lebensmittelsicherheitsbehörde ANSES wies zudem erst 2014 auf den fehlenden Beleg für einen gesundheitlichen Nutzen hin: Es gebe keinen Beweis, dass Lebensmittel mit zugesetzten Pflanzensterinen Herzkrankheiten vorbeugten.