Das halten manche Politiker von foodwatch!
Hallo und guten Tag, in der vergangenen Woche ging es im Bundestag heiß her. Befürworter der geplanten Freihandelsabkommen aus der Unionsfraktion bliesen zum Generalangriff auf die Kritiker von TTIP (Abkommen mit den USA) und CETA (mit Kanada): foodwatch und andere seien gar nicht demokratisch legitimiert, sagte ein CDU-Abgeordneter, die ganze Bewegung nicht mehr als eine „Empörungsindustrie“. Eine Fraktionskollegin dagegen konzentrierte sich darauf, für die Abkommen zu werben. Handel sei der Grund für unseren Wohlstand – und deshalb brauchen wir TTIP, so ihre Argumentationskette. Um es vorweg zu nehmen: Ja, wir sind empört! Empört vor allem darüber, auf welchem Niveau die Debatte über so wichtige politische Vorhaben geführt wird. Dass schon jetzt – ganz ohne TTIP und CETA – der Handel zwischen der EU und den USA oder Kanada ein riesiges Volumen hat und eben so zu unserem Wohlstand beigetragen hat, fällt da gerne mal unter den Tisch. Wirklich begründen, wozu wir die Verträge BRAUCHEN, konnte keiner der Fürsprecher im Bundestag. Lieber wird den Kritikern die Legitimation abgesprochen. Wir empfehlen den Abgeordneten einen Blick ins Grundgesetz, wo die Freiheit der Meinung und die Freiheit zur Bildung von Vereinen fest verankert sind – fester zum Glück als in den Köpfen mancher Volksvertreter. Doch es lohnt sich, bei TTIP und CETA über die demokratische Legitimation zu sprechen – über die der Abkommen selbst, der Verhandlungen und der Verabschiedung. Heute haben wir dazu eine ausführliche Analyse vorgelegt. Fazit: Mangelnde Transparenz, kaum Öffentlichkeit, wenig Einfluss für Abgeordnete - das ganze Verfahren verstößt permanent gegen das Demokratieprinzip. Mehr noch: Mit den geplanten Verträgen würden wir Bindungen eingehen, die die Befugnisse von Parlamenten in der Zukunft beschneiden und damit den Wert einer Stimme bei Bundestags- oder Europawahl reduzieren. Das ist der Grund für unsere Empörung – und der Grund, warum wir am kommenden Samstag auf die Straße gehen! Kommen auch Sie zur bundesweiten Großdemo in die Hauptstadt, zu der foodwatch gemeinsam mit 30 anderen Organisationen und Gewerkschaften aufruft – los geht es am 10.10. ab 12 Uhr vor dem Hauptbahnhof in Berlin. Seien Sie dabei: |
Viele Busse und Sonderzüge werden sich auf den Weg nach Berlin machen, zudem gibt es tausende privat organisierte Anreisen. Wenn Sie sich anschließen möchten, über die Mitfahrbörse auf der Seite des Demo-Bündnisses finden Sie alle Infos:
Es geht bei dieser Demo um die Zukunft unserer Demokratie! Denn TTIP und CETA sind eine sehr konkrete Gefahr für wichtige demokratische Prinzipien – wir haben dies in 7 Punkten belegt. Auch wenn das etwas länger wird als in üblichen Newslettern: Wir halten die Punkte für so wichtig, dass wir Ihnen alle zumindest kurz erläutern möchten:
1. Die Aufnahme von Verhandlungen war nicht ausreichend legitimiert. Am Beschluss des Verhandlungsmandates und damit den Vorfestlegungen für die Verhandlungen war kein Parlament beteiligt.
2. Die Verhandlungsführung verstößt gegen das Demokratieprinzip. Papiere bleiben geheim, es fehlt an Transparenz – noch nicht einmal Abgeordnete können den Stand der Gespräche nachvollziehen. Eine solche demokratische Rückkopplung und ein öffentlicher Diskurs sind jedoch geboten, wenn es nicht nur um Zölle, sondern um gesellschaftspolitische Regulierung geht.
3. Die geplanten Schiedsgerichte unterminieren den Rechtsstaat und schwächen die staatliche Souveränität. Für ausländische Konzerne soll eine Sonderjustiz nach Handelsrecht eingerichtet werden – diese werden sie nutzen, um Staaten auf Schadenersatz zu verklagen, wenn sie sich auf diesem Weg mehr Hoffnung auf Erfolg machen als vor ordentlichen Gerichten. Ein Unding!
4. Der Einfluss von Wählern und Abgeord-neten auf zukünftige Standards wird kleiner. Wie alle völkerrechtlich bindenden Verträge werden TTIP und CETA die Spielräume der Gesetzgeber einengen. Zum Problem wird das, weil die Verträge so weit in gesellschaftspolitische Bereiche hineinwirken: In Zukunft wird eine Verbesserung von im Rahmen von TTIP gemeinsam festgelegten Standards, ob bei Lebensmittelgesetzen, Landwirtschaft oder Umweltschutz, nur möglich sein, wenn die Handelspartner USA bzw. Kanada zustimmen. Der Spielraum für Parlamentarier, Gesetze zu beschließen, wird dadurch erheblich beschränkt. In dem Maße, in dem der Einfluss der Volksvertreter schwindet, verliert auch das Wahlrecht der Bürger an Wert.
5. Wichtige Regelungen können ohne Betei-ligung der Parlamente verabschiedet werden. Im Zuge der sogenannten regulatorischen Kooperation mit den USA bzw. Kanada sollen eigens eingerichtete Ausschüsse auch bindende Entscheidungen treffen und Annexe (Anhänge) zu den Abkommen ändern können. Besetzt sind die Ausschüsse allein mit Vertretern der Exekutive, etwa von Regulierungsbehörden. Eine Parlamentsbeteiligung ist nach dem CETA-Entwurf und nach den bekannt gewordenen TTIP-Texten nicht geplant. In Anhängen können aber wichtige Regelungen enthalten sein – im Lebensmittelrecht stehen oft zum Beispiel Grenzwerte für Schadstoffe im Anhang zu einem Gesetz. Es geht also um ganz konkrete Schutzstandards.
6. CETA und TTIP verkleinern Europas Spielraum bei der Gestaltung der Globalisierung. Die Abkommen unterliegen den Bestimmungen der Welthandelsorganisation WTO, gehen aber über diese hinaus. Sie schränken damit den völkerrechtlichen Rahmen für Regulierung weiter ein. Das heißt: Eine neue Regulierung für mehr Um-weltschutz oder Verbraucherrechte könnte, auch wenn sie nach WTO-Recht möglich wäre, nach TTIP unzulässig sein. Die EU verkleinert damit ihre Möglichkeiten, den Welthandel und damit die Globalisierung über die Fortentwicklung des WTO-Rechts mitzugestalten.
7. Bei der Verabschiedung der Abkommen haben die Parlamente nur eingeschränkte Rechte.EU-Parlament und wohl auch natio-nale Abgeordnete müssen die Verträge zwar „ratifizieren“. Doch Änderungen an den Texten dürfen sie nicht durchsetzen, sie können nur mit Ja oder Nein stimmen – das ist unzureichend angesichts der im Vorfeld verhinderten Beteiligung der Volksvertreter an der Debatte über die Vertragsinhalte. Hinzu kommt: Auch ohne Beschluss der nationalen Parlamente kann die Europäische Kommission die Verträge „vorläufig“ zur Anwendung bringen. Ihre Bestimmungen sind dann bis auf Weiteres voll gültig und rechtskräftig – ohne vorheriges Votum der Volksvertreter.
Sind auch Sie der Meinung, dass wir das nicht zulassen können? Dann setzen Sie mit uns gemeinsam ein Zeichen. Am 10.10. fordern wir auf den Straßen von Berlin: Stopp TTIP, stopp CETA – für einen FAIREN Handel! Kommen auch Sie und sorgen Sie mit zehntausenden anderen dafür, dass uns Bundesregierung und Abgeordnete nicht überhören können.
Wir freuen uns auf Sie,
Ihr foodwatch-Team
P.S.: Auch für foodwatch ist die Beteiligung an einer solchen Großdemonstration etwas Neues. Wir sind eine kleine Organisation – doch angesichts der Gefahren für unsere Demokratie halten wir es für ein wichtiges Signal, gegen TTIP und CETA auf die Straße zu gehen. Für unser Team ist die Vorbereitung auf den 10.10. eine echte Herausforderung, für jeden persönlich und für foodwatch finanziell. Bitte helfen uns mit, das zu stemmen – werden Sie noch heute Förderer/in von foodwatch:
www.foodwatch.de/mitglied-werden