Frage des Monats 19.09.2019

Ist teuer automatisch gut?

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Sarah Häuser von foodwatch antwortet:

Klingt einleuchtend: Wer billig kauft, der bekommt auch Billig-Zutaten. Und darf sich nicht wundern, wenn für das Billigprodukt Tiere leiden und Menschen ausgebeutet wurden. Doch lässt sich am Preis tatsächlich die Qualität eines Produkts erkennen? In der Regel leider nicht. 

Nehmen wir das Beispiel Milch. Die niedrigen Milchpreise machen den Landwirten das Leben schwer. Also am Kühlregal einfach zur teureren Milchmarke greifen, um die Bäuerinnen und Bauern zu unterstützen? Funktioniert leider nicht. Ein foodwatch-Marktcheck hat 2016 gezeigt: Die Preisunterschiede zwischen konventioneller Discount-Milch und einem Markenprodukt betragen bis zu 180 Prozent – bei den Milchbauern kommen trotzdem die gleichen niedrigen Preise an. Bei der teureren Herstellermarke zahlen wir im Supermarkt vor allem für Werbung und Marketing. Aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher ist es unter solchen Marktbedingungen völlig vernünftig, wenn sie zur billigeren Variante greifen. Eine Ausnahme ist Bio-Milch – hier kommt von den höheren Supermarktpreisen tatsächlich mehr bei den Landwirten an.

Hoher Fleischpreis, keine Tierqual?

Auch beim Schnitzel wissen wir Verbraucherinnen und Verbraucher nicht, wie viel Geld am Ende beim Tierhalter ankommt und wie es den Tieren ging. Bei supergünstigen Schnäppchenangeboten geht es den Discountern darum, die sogenannte Preisführerschaft zu übernehmen – also den günstigsten Preis von allen. Ob aber ein höherer Preis auch wirklich einer höheren Qualität entspricht, lässt sich nicht beurteilen. Denn der Fleischpreis sagt im Moment nichts darüber aus, wie gut und gesund die Tiere gelebt haben – oder wie krank und schlecht. Fakt ist: Aldi, Lidl & Co. drücken mit ihrer Marktmacht die Preise – auf Kosten der Bauern und auf Kosten der Tiere. Die großen Handelskonzerne haben zwar ein freiwilliges Fleisch-Siegel eingeführt, das Kunden informieren soll, unter welchen Bedingungen die Tiere gelebt haben. Verbraucherinnen und Verbraucher erfahren jedoch ausschließlich etwas über die formalen Haltungsbedingungen, also etwa darüber, wie viel Platz den Tieren zu Verfügung stand. Unklar bleibt, ob die Tiere unter vermeidbaren Krankheiten und Schmerzen litten. Für eine bessere Tiergesundheit in allen Ställen braucht es klare gesetzliche Vorgaben. Und ja: Fleisch und tierische Lebensmittel müssten dann deutlich teurer werden. Denn eine bessere Tierhaltung, von der die Bauern leben können, kostet Geld: Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die Preise für die Endverbaucherinnen und -verbraucher bei einer guten Haltung um 25 bis 50 Prozent steigen würden.  Im Moment aber – und das ist das Problem – können wir im Supermarkt am Preis nicht erkennen, wie gut oder schlecht die Tiere gehalten wurden.

Geschicktes Marketing statt Qualität

Aber auch bei nicht-tierischen Lebensmitteln zeigt sich immer wieder: Teuer ist nicht gleich gut. Die Gewinner des Goldenen Windbeutels zum Beispiel, des foodwatch-Schmähpreises für besonders dreiste Webelügen, belegen eindrücklich, dass Markenprodukte nicht unbedingt für Qualität stehen – sondern sich vor allem durch geschicktes Marketing auszeichnen. Und das schlägt sich entsprechend im Preis nieder. Das beweist etwa der letzte Windbeutelpreisträger, das Smartwater von Coca-Cola. Denn das angebliche Smartwater („von Wolken inspiriert“) ist nicht besser als ein stinknormales Mineralwasser – aber bis zu siebenmal teurer. Auch bei den Tests der Stiftung Warentest schneiden günstige Lebensmittel immer wieder besser ab als Markenprodukte. Aktuelles Beispiel Vanilleeis: Während das Aldi-Vanilleeis mit gut bewertet wurde, schnitt das etwa fünf Mal so teure Vanille-Eis von Eismann nur mit „mangelhaft“ ab, unter anderem deshalb, weil es nur sehr wenig Vanille enthielt. 

Nur Informationen machen den Kunden zum König

Fazit: Natürlich gibt es Menschen, die vor allem auf den Preis achten müssen oder wollen – das ist auch legitim. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch sind nachweislich bereit, mehr Geld auszugeben für Produkte, bei denen sie eine höhere Qualität vermuten. Statt ja!-Milch kaufen sie Landliebe mit dem schöneren Etikett, statt Naturjoghurt Actimel mit dem tolleren Gesundheitsversprechen. Dabei sind es oft nur Werbebotschaften, die eine höhere Qualität überzeugend (und irreführend) suggerieren. Der Kunde wird erst dann zum König, wenn er die notwendigen Informationen über ein Produkt erhält, um die Qualität wirklich beurteilen zu können.