Frage des Monats 06.01.2021

Nutri-Score: Bevorzugt die Nährwertampel hochverarbeitete Lebensmittel?

The RedBurn, CC BY-SA 4.0

Luise Molling von foodwatch antwortet:

Der Nutri-Score ist auf immer mehr Lebensmitteln zu finden. Auch auf Produkten mit einem eher schlechten Image, zum Beispiel auf Tiefkühlpizzen oder Frühstücksflocken. Umso mehr erstaunt es, wenn sich ausgerechnet diese mit einer grünen Bewertung schmücken. Zeichnet der Nutri-Score ausgerechnet hochverarbeitete Fertigprodukte mit einem guten Score aus?

Tatsächlich ist das Gegenteil ist der Fall: Eine Auswertung von mehr als 200.000 Lebensmitteln auf dem französischen Markt hat ergeben, dass der allergrößte Teil der hochverarbeiteten Lebensmittel in die eher schlechten Nutri-Score-Kategorien C, D oder E fällt (rund 80 %). Nur etwa 20 % der hochverarbeiteten Produkte würden mit dem grünen A oder B gekennzeichnet. Eine grüne Bewertung erhalten also hauptsächlich gering verarbeitete Nahrungsmittel.

Tiefkühlpizza nicht gleich Tiefkühlpizza

Dass auch verarbeitete Lebensmittel gut abschneiden können, spricht nicht gegen, sondern für den Nutri-Score. Denn auch bei verarbeiteten Lebensmitteln gibt es große Unterschiede, was die Nährwertqualität angeht – und das wird durch den Nutri-Score auf einen Blick erkennbar. So kann beispielsweise eine Spinat-Pizza mit vergleichsweise wenig Fett, wenig Salz, wenig Kalorien und einem hohen Gemüse-Anteil ein ausgewogenes Nährwertprofil haben und dadurch eine gute Bewertung bekommen – während andere Spinatpizzen sehr unausgewogen sind und folglich schlecht abschneiden.

Auch Erdbeerjoghurts, Müsliriegel oder Frühstücksflocken können bei der Nährwertqualität große Unterschiede aufweisen – und dadurch eine eher gute oder sehr schlechte Bewertung bekommen. Dadurch hilft die Kennzeichnung Verbraucherinnen und Verbrauchern, die gesündere Variante auszuwählen und bietet den Herstellern einen Anreiz, die Rezepturen zu verbessern.

Verarbeitungsgrad sagt nichts über Nährwertqualität aus

Der Nutri-Score trifft keine Aussage über den Grad der Verarbeitung, sondern über die Nährwertqualität von Lebensmitteln. Er bezieht dazu eine Vielzahl von positiven Bestandteilen – z.B. den Gehalt an Obst, Gemüse, Proteinen und Ballaststoffen – und negativen Bestandteilen – z.B. den Gehalt an Zucker, gesättigten Fettsäuren und Salz – in die Berechnung ein. Der Verarbeitungsgrad ist nicht Teil der Bewertung, denn er sagt nicht sehr viel darüber aus, wie ausgewogen oder unausgewogen ein Produkt ist. So gelten beispielsweise Salz, Butter oder selbst purer Zucker als nur „leicht verarbeitet“ – weisen aber bekanntlich eine sehr ungünstige Nährstoffzusammensetzung auf.

Jede Kennzeichnung hat Grenzen

Natürlich hat jedes Kennzeichnungssystem notgedrungen Begrenzungen und kann nicht alle Aspekte der Qualität eines Produkts abbilden – der Nutri-Score berücksichtigt beispielsweise auch nicht, ob ein Lebensmittel Pestizidrückstände, Zusatzstoffe wie Aromen oder Schadstoffe aus der Verpackung enthält. Das sind alles relevante Aspekte, jedoch ist es unmöglich und auch wenig zielführend, alle diese Faktoren gegeneinander abzuwägen und in einem Logo darzustellen. 

Der Nutri-Score wirkt gegen Fehlernährung

Das Ziel des Nutri-Score ist es, auf einen Blick im Supermarkt erfassbar zu machen, wie ausgewogen oder unausgewogen die Nährwertqualität eines Produkt ist und dadurch Verbraucherinnen und Verbrauchern zu gesünderen Kaufentscheidungen zu verhelfen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Genau das leistet der Nutri-Score nachweislich so gut wie keine andere Nährwertkennzeichnung.