Pressemitteilung 19.06.2020

Geheimniskrämerei bei Lebensmittelkontrollen: foodwatch bringt dritte Klage gegen Land Berlin auf den Weg

  • Pankower Behörde verweigert Auskünfte über hygienische Zustände in Restaurants und anderen Lebensmittelbetrieben
  • Berlin-Mitte will nach Klage Kontrollergebnisse versenden

Tausende Berlinerinnen und Berliner erhalten von den Behörden keine Auskunft über die hygienischen Zustände in Bäckereien, Supermärkten oder Restaurants. Die Verbraucherorganisation foodwatch hat nun beim Berliner Verwaltungsgericht eine dritte Klage gegen das Land Berlin auf den Weg gebracht, um die Informationsrechte der Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen. Die Klage richtet sich gegen das Vorgehen des Bezirksamts Berlin-Pankow, das Anträge auf Herausgabe von Kontrollergebnissen über das Online-Portal „Topf Secret“ mit dem Verweis auf den Arbeitsaufwand kategorisch ablehnt.

„Die Pankower Verwaltung setzt geltendes Recht nicht um, weil sie findet, dass das für sie zu viel Arbeit wäre – das ist nicht nur dreist, sondern rechtswidrig“, sagte Rauna Bindewald, Volljuristin und Campaignerin bei foodwatch. „Der hausgemachte Personalmangel in den Behörden darf nicht zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger gehen, die von ihren gesetzlichen Informationsrechten Gebrauch machen. Bezirksbürgermeister Sören Benn muss dafür sorgen, dass sein Amt die Anfragen endlich rechtmäßig beantwortet“, so Bindewald. 

In den vergangenen Monaten war foodwatch bereits gegen die Verwaltungspraxis von Berlin-Spandau und Berlin-Mitte vor Gericht gezogen. Nach der Klage von foodwatch hat Stephan von Dassel, Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, kürzlich eine Kehrtwende angekündigt. Damit wäre Mitte der erste Berliner Bezirk, der die Kontrollergebnisse herausgibt.

Derzeit wird in Deutschland nur ein Bruchteil der Ergebnisse der amtlichen Hygiene-Kontrollen von Bäckereien, Supermärkten und anderen Lebensmittelbetrieben aktiv durch die Behörden veröffentlicht. Auf „Topf Secret“ ist es für Bürgerinnen und Bürger jedoch seit Anfang 2019 möglich, auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) amtliche Kontrollergebnisse abzufragen – auch solche, die die Behörden bislang geheim halten. Zudem können Verbraucherinnen und Verbraucher die Ergebnisse auf der Plattform veröffentlichen. Bundesweit wurden über „Topf Secret“ bislang knapp 48.000 Anträge gestellt, alleine in Berlin sind es knapp 4.000. Während der Großteil der bundesweit rund 400 zuständigen Behörden die Kontrollergebnisse herausgibt, stellen sich die Berliner Bezirke bislang überwiegend quer. 

Die neue Klage bezieht sich auf eine Anfrage zu den letzten beiden Lebensmittelkontrollen im Holiday Inn Berlin City Center East Prenzlauer Berg. Das zuständige Bezirksamt Berlin-Pankow lehnte die Herausgabe der Kontrollergebnisse ab, auch das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. Die Behörde begründet ihre Ablehnung mit dem zusätzlichen Arbeitsaufwand, wodurch die „ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtig“ wäre. foodwatch bezeichnete die Ablehnungen als rechtswidrig. Die Beantwortung von Bürgeranfragen gehöre zu den originären Aufgaben einer Behörde. Zudem könne sie die Beantwortung zeitlich strecken, anstatt abzulehnen – das wäre in jedem Fall bürgerfreundlicher.

Pankow hat bislang bei keiner der mehr als 400 über „Topf Secret“ gestellten Anfragen die Kontrollergebnisse herausgegeben. „Besonders brisant ist das vor dem Hintergrund, dass fast jede zweite Lebensmittelkontrolle in Pankow Mängel in den Betrieben zu Tage fördert“, so Rauna Bindewald von foodwatch. Ein Smiley-System für Lebensmittelbetriebe, wie es Pankow im Jahr 2009 eingeführt hatte, wurde später gerichtlich untersagt. Laut Medienberichten plant der Bezirk nun, das System wieder einzuführen, auch um Einzelanfragen wie bei „Topf Secret“ zu vermeiden. „Wenn Pankow das Smiley-System wieder einführt, ist das natürlich zu begrüßen – doch solange es das nicht gibt, kann der Bezirk nicht einfach den Anspruch der Bürgerinnen und Bürger ins Leere laufen lassen“, so Bindewald.