Nachricht 14.04.2022

Salmonellen in Überraschungseiern

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Die Adventszeit scheint jetzt, in diesen Frühlingstagen, weit weg. Warum ich trotzdem gerade viel an Weihnachten denke? Weil im Dezember letzten Jahres, also noch vor Weihnachten, in einer Lebensmittelfabrik schwerwiegende Fehler passiert sind. Die fatalen Folgen kommen erst jetzt ans Tageslicht. Und entlarven die Schwachstellen im System der Lebensmittelkontrollen. Lesen Sie selbst.

Ein Kommentar von Andreas Winkler, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

foodwatch/Sabrina Weniger

 Am 15. Dezember entdecken Mitarbeiter:innen des Ferrero-Konzerns in einer belgischen Schokoladenfabrik eine Salmonellen-Verseuchung. Für einen Lebensmittelhersteller eigentlich eine Katastrophe! Die Bakterien gelangen mit der fettigen Schokolade besonders einfach in den Darm und können dort schwere Krankheiten auslösen. Vor allem kleine Kinder sowie Menschen mit schwacher Immunabwehr sind gefährdet [1].

Doch Ferrero schlägt nicht etwa sofort Alarm, sondern schweigt sich aus. Der Konzern liefert weiter Kinderriegel, Überraschungseier & Co. in unsere Supermärkte. Unglaubliche vier Monate später, als die Gefahr nicht mehr zu leugnen ist, handelt Ferrero. Erst kurz vor Ostern ruft Ferrero die Weihnachts-Schokolade zurück, die damals vom Band lief. Das ist doch absurd! Dazu viele weitere aktuelle Produkte – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, sogar in Australien, Neuseeland und den USA. Und Ferrero informiert die Öffentlichkeit nur scheibchenweise, alle paar Tage wird ein neues Produkt zurückgerufen [2].

Warum hat Ferrero so spät gehandelt? 

Für viele Verbraucher:innen kommt der Rückruf zu spät, denn die Produkte sind längst aufgegessen. Die EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde und die EU-Gesundheitsbehörde bestätigten bisher 119 Salmonellenfälle sowie 31 Verdachtsfälle, die meisten davon bei Kindern. Ungewöhnlich viele der Kinder lagen im Krankenhaus, teilweise mit schweren Symptomen wie blutigem Durchfall [3].

Warum hat Ferrero so spät gehandelt? Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder der Süßwarenkonzern konnte das Problem nicht schneller aufklären, weil ein wirksames Risikomanagement fehlte – was ein klarer Verstoß gegen das EU-Lebensmittelrecht wäre. Oder Ferrero wollte es nicht und hat bewusst verzögert und verschleppt, weil wirtschaftliche Interessen wichtiger waren als unsere Gesundheit. Beides: absolut inakzeptabel! Und ein Beleg dafür, dass Verbraucher:innenrechte und vorsorgender Gesundheitsschutz im Lebensmittelsektor dringend gestärkt werden müssen.

Das Versagen der Behörden

In diesen Tagen bekommen wir viele Anfragen von Medien und Verbraucher:innen, die wissen wollen: Was ist da eigentlich los? Wir recherchieren, ordnen ein, klären auf – und trauen uns auch deutliche Kritik. Und das ist wichtig. Denn auch die Arbeit der Kontrollbehörden wirft Fragen auf.

Wieso haben die Behörden in Belgien so spät reagiert? Erst vor wenigen Tagen wurde die Fabrik geschlossen. Bis dahin liefen weiterhin jeden Tag tausendfach Ferrero-Produkte vom Band. Und warum riefen die Behörden in Großbritannien am 2. April Produkte zurück, während es in Deutschland erst am 5. April öffentliche Rückrufe gab?

Der Fall Ferrero zeigt einmal mehr wie unter dem Brennglas, was bei der Lebensmittelsicherheit schief läuft. Egal ob Gammelfleisch, Fipronil oder jetzt Ferrero – es ist immer das Gleiche: Die Hersteller vertuschen und verzögern, statt schnellstmöglich aufzuklären und die Bevölkerung offensiv zu informieren. Die fatale Folge: Wir Verbraucher:innen werden oftmals viel zu spät gewarnt. Der andauernde Skandal ist: Regierung und Behörden unternehmen bislang nichts, um die bekannten Schwachstellen im System endlich zu beheben.

foodwatch setzt sich seit Jahren für Transparenzpflichten ein. Wir fordern: Sowohl Lebensmittelhersteller als auch Behörden müssen per Gesetz klipp und klar dazu verpflichtet werden, Missstände immer sofort öffentlich zu machen. Es darf nicht sein, dass es Monate dauert bis zu einem öffentlichen Rückruf. Außerdem brauchen wir endlich ein wirksames Unternehmensstrafrecht, verbunden mit saftigen Strafen, die auch großen Konzernen wie Ferrero wehtun. Das hätte eine abschreckende Wirkung.

foodwatch streitet seit 20 Jahren für mehr Transparenz und strengere Regeln. Wir decken auf, bohren nach, klagen an. Im Fall Ferrero sehen wir: Diese Arbeit ist wichtig - denn unsere Gegner sind milliardenschwere Konzerne. Bestehen können wir dagegen nur, wenn wir Verbraucher:innen uns zusammenschließen.