Newsletter 22.09.2016

So krank sind die Tiere, die unsere „gesunden“ Lebensmittel liefern

Hallo und guten Tag,  

trinken Sie manchmal Milch, essen Sie Fleisch oder ab und zu mal ein Ei? Wahrscheinlich greifen Sie auch mal zur Schokolade, zu Keksen oder Gummibärchen? Ob Wochen- oder Supermärkte, das Lebensmittelangebot ist voll von Produkten, die ganz oder teilweise tierischen Ursprungs sind. Vielleicht überlegen Sie, wie diese Tiere gehalten wurden oder Sie versuchen – wenn Sie nicht Veganerin oder Veganer sind – nur solche Lebensmittel zu kaufen, die aus „guter“ Tierhaltung stammen. Doch wie erkennen wir solche Produkte?

Die traurige Antwort lautet: Wir können sie nicht erkennen. Wir können uns vielleicht noch über formale Haltungsbedingungen informieren – zum Beispiel, wie groß die Ställe sind und ob die Schweine nur Spaltenböden oder auch Stroh zur Verfügung haben, und darüber, welche Unterschiede es etwa zwischen konventionell und bio gibt. Doch all diese formalen Kriterien lassen leider keine Aussage darüber zu, wie gut oder schlecht es einem Tier geht.

Wir haben zahlreiche wissenschaftliche Studien zur Gesundheit von Hühnern, Schweinen und Kühen ausgewertet. Das Ergebnis ist erschreckend: Viel zu viele Tiere leiden an vermeidbaren, haltungsbedingten Krankheiten. Und „produzieren“ trotzdem Lebensmittel. Anders gesagt: Statistisch gesehen stammt mindestens jedes vierte Tierprodukt von einem kranken Tier. Beim Einkaufen erfahren wir von diesem alltäglichen Elend nichts. Im Gegenteil, diese Produkte werden uns von den Handelskonzernen und Markenherstellern dann als „gesunde“ Lebensmittel verkauft. 

Den Studien liegen sehr unterschiedliche Datenbasen zugrunde. Dennoch ergeben sie ein näherungsweises Bild: Demnach macht mindestens jede zweite Milchkuh einmal im Jahr haltungsbedingte Krankheiten durch, die größtenteils vermeidbar sind. Am weitesten verbreitet sind Fruchtbarkeitsstörungen und Euterentzündungen. Etwa jeder zehnte Liter Milch stammt von einer Kuh mit entzündetem Euter. Statistisch gesehen war zudem mindestens jedes vierte Hähnchen vorher ein kranker Hahn, wurden 4 von 10 Eiern von einer Henne mit Knochenbrüchen gelegt. Häufig diagnostiziert bei Legehennen und Masthühnern werden Gelenkerkrankungen, Brustbeinschäden, Eileiterentzündungen, Wurmbefall oder Fußballenveränderungen. Bei Schweinen deuten Schlachtbefunde darauf hin, dass jedes zweite Tier an haltungsbedingten Krankheiten litt, oft an chronischen Gelenkerkrankungen und oftmals an schweren Veränderungen an Lungen, Lebern und Herzen. Dabei gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen konventioneller und Bio-Haltung, zwischen kleinen Höfen und Großbetrieben. Entscheidend für die Gesundheit der Tiere ist vor allem die Qualität des Betriebsmanagements – und darüber bekommen wir keinerlei Information. 

Wenn es um Tierhaltung geht, sind sich viele einig: So, wie es heute läuft, darf es nicht weiter gehen. Doch meistens wird dabei nur über die formalen Haltungsbedingungen gesprochen. Dass diese gut sind, ist wichtig – aber noch lange nicht ausreichend, damit es einem Tier gut geht und es vor allem auch gesund ist. Wir meinen: Wenn wir sie schon halten, dann schulden wir den Tieren bestmögliche Bedingungen – und zwar nicht nur ein paar von ihnen, sondern allen! Das erreichen wir weder durch Gütesiegel und Kennzeichnungen noch durch die so genannten Tierwohlinitiativen des Handels und der Bundesregierung, durch die hier und da ein Stall ein wenig verschönert wird oder Tiere ein paar Quadratzentimeter mehr Platz bekommen. Eine echte Tierhaltungswende muss her, und das heißt: Alle Nutztiere müssen so gehalten werden, dass sie weder verhaltensgestört noch krank gemacht werden! 

Wer in den Tierhaltern einfach Tierquäler sieht, liegt jedoch falsch. Die Bauern sind, wie die Tiere selbst (und die Verbraucher, die oft über die Herkunft ihrer Lebensmittel getäuscht werden), die Opfer eines Systems, das falsche Anreize setzt. Unser stellvertretender Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt hat als Veterinär das Leid in den Ställen nicht nur selbst erlebt – er hat auch ein Konzept ausgearbeitet, wie die Tierhaltungswende gelingen kann. In seinem heute im S. Fischer Verlag erschienenen Buch „Das Schweinesystem – Wie Tiere gequält, Bauern in den Ruin getrieben und Verbraucher getäuscht werden“ analysiert er nicht nur den Ist-Zustand, sondern er zeigt auch den Weg auf, wie tiergerechte Zustände für alle Nutztiere möglich werden können:

  • Eine tiergerechte Haltung muss für alle Nutztiere gesetzlich vorgeschrieben werden. 
  • Wie viele Tiere an vermeidbaren haltungsbedingten Krankheiten leiden, muss für jeden Betrieb erfasst werden – daraus werden verbindliche Zielvorgaben für die Tiergesundheit abgeleitet, orientiert an den besten Betrieben der Branche.
  • Die formalen Haltungskriterien (Stallgröße, Auslauf, Beschäftigungsmöglichkeiten etc.) müssen es allen Tieren ermöglichen, wichtige arteigene Verhaltensweisen so gut wie möglich auszuüben, damit sie keine Verhaltensstörungen entwickeln.
  • Auf den Markt kommen dürfen nur noch solche Produkte mit tierischen Bestandteilen, die die Vorgaben für Tiergerechtigkeit nachweislich einhalten. Die Mehrkosten müssen am Ende wir Verbraucher bezahlen, denn wir schulden den Tieren eine bessere Behandlung.
  • Das Konzept muss EU-weit umgesetzt werden, verbunden mit einem Einfuhrverbot für nicht-tiergerecht erzeugte Lebensmittel aus Drittstaaten. Andernfalls würden europäische Tierhalter verdrängt durch nicht-europäische Konkurrenten, die weiterhin zu schlechteren Standards produzieren, ohne dass für die Tiere etwas erreicht wäre.

Bitte helfen Sie mit, dass die Tierhaltungswende gelingen kann! Unterstützen Sie jetzt unsere E-Mail-Aktion an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt:

www.tierhaltungswende.de 

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Ihr foodwatch-Team

P.S.: Uns ist klar, dass wir einen langen Atem brauchen werden, um eine echte Tierhaltungswende zu erreichen. Aber wir versprechen Ihnen: Wir lassen nicht locker! Bitte helfen Sie uns dabei, indem Sie jetzt Förder/Förderin von foodwatch werden:

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