Newsletter 17.12.2015

Laut Behörde: Diese Adventskalender sind belastet

Hallo und guten Tag,

die Behörden wussten alles – und sagten nichts. Wochenlang wurden offenbar mineralölbelastete Adventskalender verkauft, 16 Tage lang haben Kinder die verunreinigte Schokolade verzehrt – heute, nur 8 Tage vor Weihnachten(!), hat die bayerische Lebensmittelbehörde auf unseren Antrag hin nun doch noch die Namen der betroffenen Produkte herausgerückt. Es war ein bemerkenswerter, ein absurder Kampf gegen die Windmühlen unserer Ministerien und Behörden – eine Geschichte, die erzählt werden muss. Doch dazu gleich mehr, erst einmal die wichtigste Information:

In diesen Adventskalendern (die zum Teil wahrscheinlich auch außerhalb Bayerns verkauft wurden) hat die bayerische Lebensmittelbehörde nach eigenen Angaben potenziell krebserregende aromatische Mineralöle nachgewiesen:

AdventskalenderSanta Claus In Town“ (Netto Marken-Discount)

Adventskalender Tischkalender zum Aufstellen“ (Feodora, Bremen)

AdventskalenderSanta's Schlitten“ (Frankenwald Confiserie Bauer, Ludwigsstadt)

AdventskalenderFür große Kinder“ (Frankenwald Confiserie Bauer, Ludwigsstadt)

AdventskalenderGoldora“ (Windel GmbH & Co. KG, Osnabrück)

Mineralöle in Lebensmitteln: Das Problem ist seit Jahren bekannt, und es könnte so einfach etwas dagegen getan werden! Es darf einfach nicht sein, dass unseren Kindern ein solches Gesundheitsrisiko zugemutet wird. Es darf nicht sein, dass die Behörden alles wissen und doch nichts zu unserem Schutz unternehmen! Bitte helfen Sie uns, die EU endlich zu einer gesetzlichen Regelungen zu bringen: Sie kann die Hersteller europaweit dazu verpflichten, Verunreinigungen mit Mineralöl zu vermeiden! Unterzeichnen Sie jetzt unsere E-Mail-Aktion:

www.mineraloel-aktion.foodwatch.de

Übrigens: Netto Marken-Discount hat sogar versucht, per Gerichtsbeschluss eine Information der Öffentlichkeit über seinen Adventskalender zu verhindern! Die Handelskette ging juristisch gegen die bayerische Lebensmittelbehörde vor. Doch weil foodwatch die Schriftsätze der Netto-Anwälte in Kopie vom Gericht erhielt, erfuhren wir auch von diesem Produkt – und machen diese gesundheitsrelevante Information hiermit natürlich öffentlich.

Doch nun der Reihe nach:

Ende November war eigentlich alles klar. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hatte elf Adventskalender analysiert und in der Schokolade von fünf Kalendern nach eigenen Angaben aromatische Mineralöle gefunden. Diese bewertet das LGL selbst zutreffend als „besonders bedenklich, da hier potentiell krebserregende Substanzen enthalten sein können“. Fazit: „Der Übergang auf Lebensmittel ist daher vor allem bei dieser Fraktion unerwünscht.“ 

Doch was geschah mit den laut LGL belasteten Kalendern, kurz vor dem 1. Dezember? Im Grunde: nichts! Weder stoppte das LGL den Verkauf noch informierte es die Öffentlichkeit über die Produkte. Auf der Internetseite der Behörde erschien am 1. Dezember lediglich ein allgemeiner Text über die Untersuchung, in dem sie weder Messdaten noch die Namen Produkte nennt. Um es gleich zu betonen: Das Lebensmittelrecht legt es im Falle von Gesundheitsrisiken ins Ermessen der Behörden, die Produkte aus den Regalen zu räumen und die Öffentlichkeit sofort zu informieren.

Nichts von alledem geschah. Mehr noch: Als foodwatch in der vergangenen Woche beim LGL und beim zuständigen bayerischen Verbraucherschutzministerium nach den Produktnamen anfragte, erhielten wir zunächst noch nicht einmal eine Antwort! Mehr als 17.000 Verbraucherinnen und Verbraucher protestierten daraufhin mit unserer E-Mail-Aktion bei der bayerischen Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf gegen diese absurde Geheimhaltungspolitik.

Gegenüber Journalisten schließlich gab das LGL an, foodwatch könne ja einen förmlichen Antrag nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) stellen. Zwar war es klar, dass wir einen Anspruch auf Herausgabe der Messdaten und Produktnamen hätten – wir hatten aus guten Gründen aber auf einen solchen förmlichen Antrag verzichtet. Solche Auskünfte nach dem VIG werden nämlich normalerweise mit einer Frist von zwei Monaten erteilt, häufig sogar noch später. Also irgendwann im Februar vielleicht, wenn der Advent längst vorbei, die Schokolade längst verzehrt sein würde.

Am vergangenen Freitag unternahmen wir einen letzten Versuch: Wir stellten einen „Eil-Antrag“ auf Nennung der Kalender. Tatsächlich versprach das LGL immerhin, diesen im Eilverfahren zu prüfen und die üblichen Fristen außer Kraft zu setzen. Die betroffenen Hersteller fragte es, wie es das Verbraucher-informationsgesetz vorsieht, dennoch zunächst um Stellungnahmen an: Weil nun ja ein förmlicher Antrag vorlag, griffen eben auch die formalen Regelungen für die Antragsbearbeitung... Weitere Tage zogen dadurch ins Land, in denen Kinder munter weiter die nach Behördenangaben belastete Schokolade aßen.

Heute schließlich, am 16. Dezember, übermittelte uns die bayerische Behörde die Namen der betroffenen Adventskalender. Der Produkte also, deren Verkauf sie bereits Ende November hätte stoppen können und über die sie ohne Antrag und ohne Anhörung der Hersteller sofort die Öffentlichkeit hätte informieren können. In dem Bescheid heißt es wörtlich: „...das Vorhandensein auch nur von geringen Bestandteilen einer potentiell krebserregenden Substanz [...] unterliegt einem besonderen Informationsinteresse“. Es liest sich wie der blanke Hohn. Denn warum haben Behörde und Ministerium sich dann so lange gegen eine Nennung der Produkte gewehrt?

Der Fall zeigt: Solange Behörden keine klaren Informationspflichten, sondern Ermessensspielräume haben, können wir uns nicht darauf verlassen, über Gesundheitsrisiken auch informiert zu werden. Das muss sich ändern! Und vor allem muss endlich Schluss sein mit den vermeidbaren Mineralöl-Verunreinigungen, ob in Adventskalendern oder in anderen Lebensmitteln!

Bitte unterzeichnen Sie daher jetzt unsere E-Mail-Aktion:

Schluss mit gefährlichen Mineralölen in Lebensmitteln

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Ihr foodwatch-Team

P.S.: foodwatch rät vom Verzehr der Schokolade in den genannten Adventskalendern ausdrücklich ab. Wir empfehlen allen Käuferinnen und Käufern, die Produkte zum Händler zurückzubringen und den Einkaufspreis zurück zu verlangen. Wer es seinen Kindern ersparen möchte, ihnen den Adventskalender wegzunehmen, könnte vielleicht versuchen, die Türchen vorsichtig zu öffnen, die Schokolade durch etwas anderes zu ersetzen.

P.P.S: Laboranalysen, langwierige behördliche Verfahren, manchmal auch juristische Auseinandersetzungen: Nur durch die finanzielle und politische Unterstützung unserer Unterstützerinnen und Unterstützer können wir der Lebensmittelbranche und den staatlichen Instanzen auf die Finger schauen. Helfen Sie uns dabei! Bitte werden auch Sie Förderer/in von foodwatch:

www.foodwatch.de/mitglied-werden