Report 20.06.2025

foodwatch-Report: „Zu #gesund um wahr zu sein?“

foodwatch

Wundermittel gegen Stress, Müdigkeit & Co.? Auf Instagram werben Influencer:innen mit falschen Gesundheitsversprechen. Dabei sind viele Nahrungsergänzungsmittel unnötig und bisweilen sogar schädlich.

Rund ein Drittel der Instagram-Stories, in denen Nahrungsergänzungsmittel beworben werden, enthält gesundheitsbezogene Aussagen – und in sämtlichen Fällen stuft foodwatch mindestens eines dieser Versprechen als unzulässig ein. Der neue Report von foodwatch deckt auf, wie Hersteller mithilfe von Influencer:innen mit falschen Versprechen werben und so ein problematisches Gesundheitsbild etablieren. 

Die Instagram-Werbung: irreführend und unkontrolliert 

Im Rahmen einer Untersuchung hat foodwatch über 20 Tage hinweg die Instagram-Stories von 95 Fitness- und Gesundheits-Influencer:innen ausgewertet. Das Ergebnis: 145 Mal verwendeten die Influencer:innen mindestens einen Health Claim pro beworbenem Produkt. In allen Fällen lagen Verstöße gegen die Health Claims Verordnung vor. Dabei geht es nicht nur um plumpe Aussagen – oft reichen Andeutungen, beispielsweise wie „Schlaf und Regeneration”, um falsche Erwartungen zu wecken. 

Besonders dreist: Selbst medizinische Aussagen wie Heilungsversprechen, beispielsweise hilft bei „chronischer Erschöpfung“ oder dass der Hormonhaushalt ausgeglichen und schlechter Haut entgegengewirkt werden solle, werden verbreitet. Viele Produkte werden dabei als Allheilmittel inszeniert: gegen Müdigkeit, schlechte Haut oder hormonelle Beschwerden. 

Fotostrecke: Irreführende Nahrungsergänzungsmittelwerbung

Fotostrecke 19.06.2025

Nahrungsergänzungsmittel: oft überflüssig, manchmal schädlich 

Vitaminpräparate, Proteinpulver oder Magnesiumkapseln: Gesunde Menschen mit ausgewogener Ernährung brauchen sie in der Regel nicht. Studien zeigen, dass eine ausgewogene Ernährung völlig ausreicht, um den Bedarf an Nährstoffen zu decken. Doch genau das wird in sozialen Medien systematisch in Frage gestellt. Influencer:innen schüren Unsicherheiten, stellen Nahrungsergänzungsmittel als notwendig dar und bewerben sie mit Rabattcodes. So entsteht ein lukrativer Markt mit einem angeblichen Mangel. 

Wie sinnvoll sind Protein, Vitamin D, Magnesium & Co?

Die foodwatch-Analyse zeigt: Besonders häufig bewerben Influencer:innen Produkte, die Protein, Vitamin C, D, B6 oder Magnesium enthalten. Doch verdienen gerade diese Nährstoffe so viel Aufmerksamkeit – und ist eine Supplementierung überhaupt notwendig?

Besonders Sportler:innen legen einen Fokus auf ihre Proteinversorgung, da Proteine zu einer Zunahme und Erhaltung von Muskelmasse beitragen. Vor diesem Hintergrund wird auch Proteinpulver vermarktet – und online vor allem von Fitness-Influencer:innen beworben. In den meisten Fällen ist es jedoch nicht notwendig, auf Proteinpräparate zurückzugreifen. Eine ausgewogene, proteinreiche Ernährung reicht in der Regel aus, um den Bedarf zu decken. Für gesunde Erwachsene empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine tägliche Proteinzufuhr von 0,8 g pro Kilogramm Körpergewicht – das entspricht bei einer 68 kg schweren
Person rund 54 Gramm Protein pro Tag. Diese Menge lässt sich über eine ausgewogene Ernährung abdecken – etwa durch Vollkornbrot,
Quark oder gekochte Linsen.

Auch wer regelmäßig Sport treibt, benötigt normalerweise keine zusätzliche Proteinzufuhr. Für Erwachsene, die sich etwa vier- bis fünfmal pro Woche für 30 Minuten moderat bewegen, gilt weiterhin der allgemeine Richtwert von 0,8 g/kg Körpergewicht. Nur bei sehr hohen Trainingsumfängen – beispielsweise im Leistungssport mit mehr als fünf Stunden Training pro Woche – kann eine gezielte, sportartspezifisch angepasste Proteinzufuhr sinnvoll sein, um den Trainingsprozess zu unterstützen. Der tägliche Proteinbedarf lässt sich aber auch bei ambitionierten sportlichen Zielen über eine geeignete Kombination von Lebensmitteln decken.

Supplemente sind also kein Muss – auch nicht im Sport. Natürlich kann der Griff zum Proteinshake in manchen Situationen sinnvoll oder einfach praktisch sein – etwa bei Zeitmangel, besonderen Trainingszielen oder Lebensmittelunverträglichkeiten. Doch die verbreitete Vorstellung, ohne Proteinpulver lasse sich ein gesunder oder sportlicher Lebensstil nicht umsetzen, ist wissenschaftlich nicht haltbar.

Vitamin C ist in vielen der auf Instagram beworbenen Nahrungsergänzungsmittel enthalten und soll angeblich das Immunsystem stärken und vor Erkältungen schützen. Es stimmt zwar: Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei. Allerdings haben zahlreiche Studien gezeigt, dass die Einnahme von Vitamin C keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Erkältungen hat. Kein Wunder, denn schon eine Portion Brokkoli oder eine rohe Paprika deckt den Tagesbedarf eines Erwachsenen problemlos ab.

Während die Supplementierung von Protein und Vitamin C zwar nicht nötig und möglicherweise Geldverschwendung ist, aber immerhin keine größere Gefahr für die Gesundheit darstellt, sieht das bei Vitamin B6 anders aus: B6 trägt zwar zu einem normalen Energiestoffwechsel und der normalen Funktion des Nervensystems bei, doch eine zu hohe Zufuhr kann genau dort Schaden anrichten. Ein echter Mangel ist selten. Wer mehrere Präparate kombiniert oder dauerhaft hoch dosiert supplementiert, kann sich ungewollt selbst schaden. Wie gefährlich eine unkontrollierte Zufuhr sein kann, zeigen dokumentierte Fälle, in denen Menschen durch hochdosiertes Vitamin B6 Beschwerden wie Taubheit, Muskelzuckungen oder Krämpfe entwickelten.
 

Das beliebteste Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland ist seit Jahren Magnesium. Auch die foodwatch-Analyse ergab, dass viele der auf Instagram beworbenen Produkte Magnesium enthalten. Menschen nehmen es unter anderem in der Hoffnung ein, damit Muskelkrämpfen vorzubeugen – insbesondere Wadenkrämpfen. Sinnvoll ist die Einnahme allerdings auch in diesem Fall nur, wenn tatsächlich ein Magnesiummangel vorliegt – was in Deutschland eher selten der Fall ist. Studien zeigen außerdem, dass Magnesium bei Muskelkrämpfen in der Regel keinen nachweisbaren Nutzen hat.

Es sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass Influencer:innen nicht ausschließlich überflüssige Vitamine und Mineralstoffe bewerben. Ein gutes Beispiel dafür ist Vitamin D. Ein großer Teil der deutschen Bevölkerung ist nicht ausreichend mit dem „Sonnenvitamin“ versorgt. Fehlt die körpereigene Produktion – etwa in den sonnenarmen Wintermonaten – kann eine gezielte Supplementierung für viele Menschen durchaus sinnvoll sein. Ob tatsächlich ein Mangel vorliegt und wie hoch die individuell nötige Dosis ausfallen sollte, lässt sich jedoch nur durch eine Blutuntersuchung feststellen. Wer ohne ärztliche Rücksprache zu hochdosierten Präparaten greift, riskiert eine unnötige oder sogar schädliche Überversorgung. Im Falle einer starken Überdosierung kann es zu einer Erhöhung des Kalziumspiegels im Blut kommen – mit möglichen Folgen wie Übelkeit, Muskelschwäche, Herzrhythmusstörungen oder langfristigen Nierenschäden. Vitamin D sollte also nicht eingenommen werden, weil es in einer Instagram-Story empfohlen wird – sondern nach ärztlichem Rat.

Problematisch wird es, wenn eigentlich harmlose Produkte zu gefährlichen werden. Viele Präparate können in Kombination mit anderen Mitteln überdosiert werden oder enthalten Stoffe, die im Verdacht stehen, gesundheitliche Schäden zu verursachen – etwa Synephrin, das in Pre-Workout-Boostern zu finden ist und Herzprobleme auslösen kann. Zudem fehlen gesetzlich verpflichtende Höchstmengen.  

Supplemente für Muskelaufbau oder zum Abnehmen 

Trotz millionenfacher Reichweite und hoher Wirkung unterliegt das Marketing von Nahrungsergänzungsmitteln auf Instagram keiner wirksamen Kontrolle. Die zuständigen Behörden sind überfordert, bestehende Gesetze werden kaum durchgesetzt. Influencer:innen können praktisch alles behaupten, weil niemand hinschaut.  

Schluss mit dem Gesundheitsschwindel! 

Damit Verbraucher:innen nicht länger getäuscht werden, braucht es klare gesetzliche Regelungen. 

foodwatch fordert konkret: 

  • Die Kontrolle des Online-Markts muss länder- und kommunenübergreifend gebündelt werden. 
  • Unternehmen müssen dafür sorgen, dass die Influencer:innen nicht mehr irreführende Werbung für ihre Produkte machen. 
  • Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe müssen festgelegt werden. 
  • Ein Zulassungsverfahren für Nahrungsergänzungsmittel – wie bei Arzneimitteln. 
  • Eine Positivliste für sonstige Stoffe. 

Nur so lässt sich verhindern, dass weiter unkontrolliert Gewinne mit teilweise gesundheitsgefährdenden Produkten gemacht werden – auf Kosten des Verbraucherschutzes.  

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