Nachricht 03.01.2023

Kükentöten-Verbot: Sag mir, wo die Hähne sind...

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Seit einem Jahr ist das industrielle Töten männlicher Küken in Deutschland verboten. foodwatch hat nachgeforscht, was es für den Tierschutz gebracht hat.

Auf vielen Eierpackungen stehen Angaben wie „ohne Kükentöten“. Tatsächlich ist die grausame Praxis in Deutschland seit einem Jahr verboten: Seit dem 1. Januar 2022 dürfen männliche Küken in Deutschland nicht mehr direkt nach dem Schlüpfen getötet werden.  Bis dahin wurden jedes Jahr bis zu 45 Millionen männliche Kükent direkt nach dem Schlüpfen vergast oder geschreddert. Einfach nur, weil sie keine Eier legen und kaum Fleisch ansetzen und daher für die Lebensmittelindustrie „wertlos“ sind. Jetzt müssen die „Bruderhähne“ entweder mit aufgezogen werden, oder die männlichen Küken werden schon im Ei erkannt und gar nicht erst ausgebrütet.

Was passiert mit den männlichen Küken heute? 

Ist Deutschland deshalb nun wirklich „weltweiter Vorreiter“ in Sachen Tierschutz, wie das Bundeslandwirtschaftsministerium stolz behauptet? foodwatch hat nachgeforscht, wie es den fast 9 Millionen männlichen Küken ergangen ist, die in den ersten neun Monaten 2022 geschlüpft sind. Die überraschende Erkenntnis: Keiner weiß es – oder keiner will es wissen. 

Der Lobbyverband der Geflügelindustrie? Kann über den Verbleib der „Bruderhähne“ nur spekulieren. Die zuständigen Behörden? Wissen es nicht. Entsprechende Kontrollen? Finden bisher offenbar nicht statt. foodwatch-Recherchen zeigen stattdessen: Hühner-Betriebe haben mehr als 300.000 Tiere ins Ausland transportiert. Mindestens im Fall einer Brüterei wurden die männlichen Küken dann nicht etwa im Ausland aufgezogen – sondern schlicht dort getötet. Sieht so mehr Tierschutz aus? Wir finden: Nein!

Legehennen leiden weiter

Hinzu kommt: Zwar dürfen männliche Küken nicht mehr direkt nach dem Schlüpfen vergast oder geschreddert werden. Die weiblichen Tiere leiden aber weiter unter qualvollen Haltungsbedingungen, Schmerzen und Krankheiten. Unglaubliche 97 Prozent aller Legehennen haben gebrochene Brustbeine, wie eine aktuelle Studie der Uni Bern zeigt. Den auf Hochleistung getrimmten Tieren brechen die Knochen, weil die vielen Eier ihnen alles Kalzium entziehen. Das Leiden der Legehennen geht unvermindert weiter – auch wenn Verbraucher:innen mit dem Versprechen ‚Ohne Kükentöten‘ auf Eierpackungen eine heile Tierhaltungswelt suggeriert wird.

Wir brauchen einen wirklichen Systemumbau: Wir müssen weniger Hühner halten, mit robusteren Rassen und in besseren Haltungsbedingungen, die die Tiere nicht krank und kaputt machen.
Dr. Chris Methmann foodwatch-Geschäftsführer

Zweinutzungshühner wären die Lösung

Das Verbot des Kükentötens doktert nur an Symptomen eines kaputten Tierhaltungssystems herum, das möglichst billig möglichst viele Eier produzieren will. An dem Grundproblem, dass Hühner in der modernen Agrarindustrie entweder für eine extreme Legeleistung oder eine extreme Mastleistung gezüchtet werden, ändert sich dadurch nichts. Die einzige zukunftsfähige Lösung sind sogenannte ‚Zweinutzungshühner‘, die sowohl Eier legen als auch genug Fleisch für die Mast ansetzen. Die tierquälerische Hochleistungszucht muss gesetzlich verboten und durch robustere und gesündere Hühnerrassen ersetzt werden!