Nachricht 04.07.2025

Goldener Windbeutel 2025: So reagieren die Hersteller

foodwatch hat fünf Produkte nominiert für die Wahl zur dreistesten Werbelüge des Jahres. Wie haben Milka, Rama, Innonature, Fish Tales und Shirin David reagiert?

Über diesen Preis freut sich wohl kein Unternehmen: Der Goldene Windbeutel für die dreisteste Werbelüge des Jahres. Die Hersteller der nominierten Produkte haben zur foodwatch-Kritik Stellung bezogen - einer kündigte einen Lieferantenwechsel an.

Kandidat Nr. 1: Atlantischer norwegischer Räucherlachs – so reagiert Fish Tales

Fish Tales reagierte in einer Mail, einer eigenen Pressemitteilung sowie gegenüber Spiegel Online auf die foodwatch-Kritik. Und kündigt eine Umstellung der Bezugsquelle ihres Atlantiklachses an.

Der Hersteller Fish Tales schreibt in seiner Reaktion auf die Nominierung, seine Produkte seien „traceable to the source“ (deutsch: rückverfolgbar bis zur Quelle) und mit der Angabe der Bezugsquelle Grieg Seafood gegenüber foodwatch sei die Transparenz hergestellt. Auf der Website von Fish Tales wird Verbraucher:innen jedoch „traceable all the way to the fishery“ (deutsch: Rückverfolgbarkeit bis hin zur Fischerei) versprochen. Auch das ASC-Siegel verspricht Transparenz von der „Zucht bis auf den Teller“. Aus foodwatch-Sicht muss liefern, wer so große Transparenzversprechen gibt. Trotz mehrfacher Anfrage von foodwatch hat es Fish Tales in der gesamten Korrespondenz wiederholt abgelehnt, konkrete Zuchtfarmen zu benennen. Stattdessen verweist das Unternehmen auf Grieg Seafood als Bezugsquelle – einen norwegischen Konzern, bei dem es in der Vergangenheit zu schwerwiegenden Tierschutzverstößen gekommen ist.

Gegenüber Spiegel Online behauptet Fish Tales, von einem Vorfall, bei dem 2021 fast 100.000 Zuchtlachse bei Grieg Seafood infolge eines Austritts von Chlor verendeten, nichts gewusst zu haben. Dabei hatte Grieg Seafood laut Spiegel damals selbst eine Pressemitteilung dazu veröffentlicht, auch Fachpresse hatte berichtet.

Fish Tales wechselt Lieferanten

Fish Tales kündigt an, künftig bei Atlantiklachs auf die Fischfarm Kvarøy Lachs umsteigen zu wollen. Fish Tales beschreibt Kvarøy Arctic als weltweiten Vorreiter „und gutes Beispiel dafür, wie Atlantik-Lachs auf äußerst nachhaltige Weise gezüchtet werden kann.” Ab September 2025 will Fish Tales den Fisch von Kvarøy Lachs beziehen.

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Kandidat Nr. 2: Dirtea Glow – so reagiert die Dirtea GmbH

Weder die Rapperin Shirin David noch die Dirtea GmbH haben sich zur Windbeutel-Nominierung ihres Eistees geäußert.

Kandidat Nr. 3: Menstru Chocbar – so reagiert die Innonature GmbH

Innonature bewirbt seinen Schokoriegel für Menstruierende mit den Worten: „Mit dieser einzigartigen Kombination aus Schokoladenriegel und Nährstoffen machst Du die besonderen Tage im Monat zu Deinen Wohlfühltagen – mit allem, was Dein Körper und Deine Seele braucht.“ Dies seien keine Heilsversprechen, behauptet der Hersteller.

Schokoriegel gegen Eisenmangel?

Zum Eisen im Schokoriegel schreibt Innonature in einer Mail an foodwatch: „Eisen trägt unter anderem zur Verringerung von Müdigkeit und zur normalen Bildung roter Blutkörperchen bei. Frauen im gebärfähigen Alter sind in Deutschland überdurchschnittlich häufig von Eisenmangel betroffen – nicht zuletzt durch die monatlichen Blutverluste während der Periode“. Unsere Position: Wenn Menschen den Verdacht auf Eisenmangel haben, sollten sie das bei einer Ärzt:in abklären lassen. Diese:r wird bei einem Mangel jedoch höchstwahrscheinlich keine Empfehlung für einen teuren Schokoriegel mit Eisen aussprechen, sondern gezielt ein Eisenpräparat oder eine Ernährungsumstellung empfehlen.

„Wunderknolle“ Maca?

Zur Verwendung von Maca in seinen Produkten schreibt Innonature, dass dies laut einer Studie aus dem Jahr 2006 in den üblichen Verzehrmengen keine gesundheitsschädlichen Wirkungen zeige. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat diese Studie in seiner Bewertung von Maca mitberücksichtigt und ist zu dem Schluss gekommen, dass für Maca keine unbedenkliche Verzehrmenge abgeschätzt werden kann. Die Datenlage sei einfach zu dünn.

Kandidat Nr. 4: Milka Alpenmilch – so reagiert Mondelez

Auf Spiegel Online rechtfertigt sich Mondelez für die Preiserhöhung der „Milka Alpenmilch“-Schokolade mit Rekordpreisen für Kakao und hohen Kosten für Energie, Verpackung und Transport. Die Preiserhöhung und fast gleichzeitige Verringerung des Packungsinhalts werden als „wohlüberlegte Maßnahmen“ bezeichnet. Fakt ist: Großkonzerne wie Mondelez sichern sich Kakao meist langfristig. Mondelez profitiert laut eigenem Finanzbericht aktuell sogar von „niedrigeren Herstellungskosten“. Der Unternehmensgewinn von Mondelez stieg seit 2021 um 25 Prozent.

foodwatch: Shrinkflation kennzeichnen!

Der Hersteller hat seiner Ansicht nach den verringerten Packungsinhalt klar kommuniziert. Das neue Gewicht werde etwa auf der Tafel und der Milka-Website angegeben. Was der Hersteller verschweigt: Die Angabe des Gewichts auf der Verpackungsvorderseite wird im Supermarktregal häufig von den Kartonlaschen verdeckt. Zudem ist diese Angabe kein deutlicher Hinweis auf die Schrumpfung des Packungsinhalts. foodwatch fordert: Wenn Hersteller den Inhalt von Produkten schrumpfen, den Preis jedoch beibehalten oder sogar erhöhen, müssen sie dies deutlich kennzeichnen.  

Gestiegene Rohstoffkosten – oder Gierflation?

Gegenüber Spiegel Online sagt der Hersteller, man gehe beim Kakao für den Rest des Jahres ebenfalls von einer deutlichen Inflation aus. Dazu passt die Aussage des Mondelez-Finanzchef Luca Zaramella gegenüber dem Handelsblatt im Frühjahr 2025: „Wenn der Kakaopreis hoch bleibt, würden wir die Preise wohl schrittweise anheben. Wenn das Preisniveau von Kakao anfängt zu sinken, dürften unsere Erträge höher ausfallen.“ Steigende Kosten zahlen also Verbraucher:innen, sinkende Kosten steckt sich Mondelez in die Tasche.  

Kandidat Nr. 5: Rama – so reagiert die Flora Food Group

In einem Statement gegenüber foodwatch verteidigt die Flora Food Group die Werbeaussagen auf der Rama-Verpackung: „Die Auslobung ‚100 % natürliche Zutaten‘ bietet Verbraucherinnen und Verbrauchern eine klare und vertrauenswürdige Orientierungshilfe.“ Aber: Fast zwei Drittel der Verbraucher:innen erwarten beim Begriff „natürliche Zutaten“ minimal verarbeitete, möglichst naturbelassene ursprüngliche Lebensmittel ohne Zusatzstoffe. Das trifft auf Rama mit Zusatzstoffen und zugesetzten Vitaminen nicht zu. 

Verschweigt Rama die E-Nummern, um besonders natürlich zu wirken?

Dass er in der Zutatenliste keine E-Nummern angibt, begründet der Hersteller wie folgt: „Im Sinne größtmöglicher Transparenz […] verwenden wir bewusst die vollständigen Namen der Zusatzstoffe.“ Aus foodwatch-Sicht bedeutet größtmögliche Transparenz sowohl die E-Nummern als auch die stoffliche Bezeichnung (Funktion und Stoffname) zu nennen. Eine foodwatch-Umfrage zeigt: 37 Prozent der Verbraucher:innen erkennen Zusatzstoffe nur über die E-Nummer. 

Zu den eingesetzten Emulgatoren schreibt der Hersteller, dass die Emulgatoren aus Pflanzenölen gewonnen und in ihrer chemischen Struktur unverändert bleiben – also so, wie sie in der Natur vorkommen. Aber: Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren kommen in Pflanzenölen nur in sehr geringen Mengen natürlich vor; industriell werden sie in der Regel durch chemische Veresterung von Glycerin mit Fettsäuren hergestellt. Daher stellt sich die Frage, aus welchen konkreten Ausgangsstoffen und mit welchen Verfahren die in Rama eingesetzten Emulgatoren gewonnen werden – und ob dabei tatsächlich keine chemische Reaktion erfolgt. Eine Antwort darauf bleibt der Hersteller nach wie vor schuldig.

Konkrete Antworten? Fehlanzeige

Auch die Fragen zu den Details der Herstellung und zur Herkunft der Citronensäure sowie der vewendeten Vitamine beantwortet die Flora Food Group nicht. foodwatch bleibt dabei: Der Hersteller Flora Food Group sollte seine Werbeaussage „100% natürliche Zutaten“ von der Produktverpackung entfernen oder endlich alle Quellen seiner Zutaten offenlegen.

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